Reiterhof Birkenhain 07 - Raetsel um das braune Fohlen
die Kannen an und deutete auf den Stapel gepunkteter Becher auf dem Tisch. »Nehmt euch einen davon. A-Saft- oder O-Saft?«
»A-Saft«, sagte Conny schnell und schob sich als Erste in eine leere Bank. Sie hatte sofort kapiert, dass Carmen »Apfelsaft« und »Orangensaft« meinte.
Zwei große Backbleche mit duftendem Streuselkuchen wurden ihnen unter die Nase gehalten. Kathrin mit rotem Pferdeschwanz und Susan T. mit blondem Fransenhaar verteilten den warmen Kuchen. Wie Carmen halfen die beiden auf dem Reiterhof. Susan T. hatte das »T« hinter ihrem Vornamen aus zwei Gründen. Einmal als Abkürzung für »Tornado«, weil sie meistens wie ein Wirbelsturm durchs Gelände fegte. Zweitens, weil man sie auf dem riesigen Hof so besser rufen konnte: »Susan Tehee.«
»Ein Wunder, dass noch Kuchen da ist.« Kathrin kicherte. »Wenn Susan T. ihn herumreicht, verdrückt sie die meisten Stücke nämlich selbst.«
»Themenwechsel«, rief das blonde Fransenmädchen lachend und versorgte die Hamburger mit Kuchen. »Übrigens - ihr sitzt auf der Eselsbank«, sagte Susan T. und warf sich eine Hand voll loser Streusel in den Mund. »Die schreit wie ein Esel. Versucht's mal.« Mit dem Fuß stieß sie ein paar Mal gegen die Bank, bis die in Bewegung geriet. »So .. . mit der Sitzfläche einfach hin und her wackeln.«
Tatsächlich! Das Eisengestell unter ihnen röchelte wie ein heiserer Esel: Iah.
Hinter ihnen tauchte das Mädchen vom Springplatz auf. Das Fuchspony trottete neben ihr am Zügel. Sie war klein, dünn wie eine Bohnenstange und ging kerzengerade. Die großen, etwas schräg stehenden Augen schimmerten rätselhaft in Grün und Braun.
Mit dem aufmerksamen Blick einer Wildkatze musterte sie die Neuen und grinste sie kurz an. Im Vorbeigehen nahm sie ein Stück Streuselkuchen vom Blech und stopfte es in den Mund. Dann verschwand sie mit ihrem Pferd im Stall.
»Wer war das?«, fragte Jule und sah Susan T. an. »Helene. Helene Zurmussen. Ich wette, du hast sie vorhin beim Springen gesehen«, schmunzelte die Helferin,
»und fragst dich, warum sie mit ihren zehn Jahren besser ist als du ...«
»Kann man wohl sagen.«
Bastian zog den zusammengerollten Hausprospekt aus Jules Westentasche und sah sich die letzte Seite an. »Aha. Zurmussen ... so heißen die Besitzer des Reiterhofs.«
»Du hast es erfasst.«
Das war Carmen vom Nebentisch. »Helene ist die Tochter des Chefs. Sie kann natürlich viel mehr trainieren als ihr. Umsonst. Ohne Reitkarte. Also, keinen Neid bitte. Außerdem . . .«, Carmen goss die Becher erneut voll, » ... reitet sie in einer Talentgruppe, weil sie total begabt ist. Würde mich nicht wundern, wenn Helene mal Olympia gewinnt.«
Die »künftige Olympiasiegerin« erschien in der Türöffnung, schlenkerte ihre Reitkappe am Gurt durch die Luft und ließ sich hinten auf die Eselsbank fallen. »Iah«, ächzte das Eisengestell. Helene zog die Beine hoch und lehnte sich an die Stallmauer. Ohne jede Verlegenheit betrachtete sie die Hamburger, das Kinn auf die Knie gestützt.
»Merle hat mich angerufen«, sagte sie schließlich und blies sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sogar ihr hellbraunes Haar erinnerte an eine Wildkatze. »Sie hat mir etwas von eurem Fohlen erzählt. Was ist das für ein komisches Geheimtier?«
»Bist du wirklich in einer Talentgruppe?«, platzte Jule heraus. Helene langte nach einem Becher Saft und warf ein verirrtes Ahornblatt hinaus. Diese Frage hörte sie jeden Tag mindestens einmal.
»Logisch. Ich will Olympiasiegerin werden. In der Vielseitigkeit. Und das schaffe ich auch.«
Wenn man ihren entschlossenen Gesichtsausdruck sah, nahm man ihr das unbedingt ab. »Aber vorher müssen wir ja wohl euren Dülmener Hengst finden. Oder sehe ich das falsch?«
»Nein.« Bastian mischte sich ein. »Das siehst du genau richtig. Aber die Wildpferde sind erst morgen dran. Zeigst du uns euren Hof?«
Helene ließ sich von der Bank gleiten und strich einige Krümel von der Reithose.
»Kommt mit!«
Während Frau Steffen zum Übernachten ins Landhotel Wiesenhof fuhr, zog Helene mit den vier Hamburgern über das Gelände des Reiterhofs Georgenbruch.
Als sie wieder vor dem grün berankten Gutshaus ankamen, waren zwei Stunden vergangen. Dabei hatten sie die Reitwege noch gar nicht gesehen, die zum Gut gehörten. Hätten sie die auch noch angeguckt, hätten sie im Freien schlafen müssen. So lange wären sie unterwegs gewesen.
Der Platz vor dem Haus war fast verwaist. Die Ferienkinder aßen
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