Reiterhof Birkenhain 09 - Spuk im Stall
sie oben und unter Schnalzen und lauten Anfeuerungsworten lenkte sie Lotta hinter King-Louis und Sally auf den Hufschlag.
Kai Jensen trug die Leiter zum Ausgang und stellte sie auf der Tribüne ab. An der Bande lungerten mindestens zehn Jugendliche und machten ihre Bemerkungen. Klar, das ließen sie sich nicht entgehen - über die Erwachsenen zu lästern.
Seit dem Überfall vor drei Tagen ritten alle Reiter auf dem blanken Pferderücken. Als Ersatz für die gestohlenen Trensen hatte Herr Jensen Hilfszaumzeug aus Stallhalftern gebastelt. In die Ringe rechts und links wurde je ein Strick gebunden und am Ende verknotet. Das diente als Zügel.
Zur Not ging das, aber richtig lenken konnte man die Pferde damit nicht. Man war schon sehr auf ihre Gutmütigkeit angewiesen. Lotta und Nappo, King Louis, Oie und Ankum machten freundlich mit. Aber die frechen Schulpferde wie Traber Rocky und Fjordpferd Kalle rannten unkontrolliert durch die Halle und nutzten ihre Freiheit schamlos aus.
Für besonders übermütige Pferde besaß Jensen eine Reserve von drei Sätteln und drei Trensen. Denn drei Privatreiter hatten ihm nach dem Überfall spontan ihre Ausrüstung angeboten.
Leihweise, versteht sich. Zwei stammten - oh Wunder -von den Nervis. Damit stiegen die Gerlach-Zwillinge in der Achtung der Schulpferde-Reiter.
Den dritten Sattel verlieh der Besitzer von Pucky, einer zierlichen Stute.
Natürlich ging das mit den Leihgaben nur vorübergehend. Wenn die Beute der Sattelbande nicht schleunigst entdeckt wurde, musste Jensen 20 neue Sättel kaufen und 20 neue Trensen. Eine Aussicht, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Bisher wusste er nicht, was seine Versicherung zahlen würde, obwohl er sofort die nötigen Formulare dort abgegeben hatte. Bei dem Fragebogen hatte ihm Jules Mutter geholfen. Sie hatte Ahnung davon. Jensen rechnete ihr die Hilfe hoch an.
Gestern hatte Jensen einen einzigen neuen Sattel gekauft. Neu war übertrieben, der Sattel war einige Jahre getragen und gehörte Deichgraf, dem Pferd von Imke Zavelstein. Die Zwölfjährige brauchte ihn nicht mehr, denn ihr Deichgraf war verkauft worden. Im Augenblick wurde der Holsteiner Wallach in einer Reha-Klinik gepflegt; er sollte aber danach mit der neuen Besitzerin zurück nach Birkenhain kommen.
Jensen stützte sich auf den Rand der Bande und überlegte, ob er Frau Vogel den neuen Sattel in die Halle bringen sollte. Eine ganze Stunde ohne Sattel hielt die bestimmt nicht durch. Andererseits ... er hatte noch nicht probiert, ob die Größe passte.
»Augen zu, Herr Jensen ... Überraschung!«
Er drehte sich um. Hinter ihm hielt jemand eine Jacke hoch.
»Nicht gucken, Herr Jensen. Raten Sie mal, was ich hier habe?«
»Das ist die Stimme von Conny Clasen, also bestimmt etwas für Rocky, das Schlitzohr.«
»Nix für Rocky ... für Sie.«
»Für mich? Keine Ahnung. Erster Buchstabe?«
»Hm, ein D.«
»Vielleicht... Dresdner Stollen ... dick gefüllte Doppelkekse ... Dracula-Umhang ...«
»HERR JENSEN! Na gut, Sie raten es ja sowieso nicht. Augen auf!«
Direkt vor Jensens Nase pendelte Conny Clasen ein nagelneues Zaumzeug hin und her. Das Leder sah weich und geschmeidig aus, das glänzende Mundstück trug noch keine Gebrauchsspuren.
Jensen fasste die Reittrense am Stirnband an und befühlte fachmännisch die Lederriemen.
»Eine Trense... und dann noch so eine gute. Wie kommst du denn daran? Und wieso fängt die mit D an?«
»Ist doch klar. D wie doppelt gebrochenes Mundstück.« Liebevoll strich Conny über das glänzende Metallgebiss. »Garantiert ohne Nickel.«
»Welche Größe ist das?«
»Zwölfeinhalb.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Kai Jensen musste lachen. »Hätte ich mir doch denken können. Rein zufällig die richtige Größe für Rockys Maul, stimmt's?«
»Stimmt. Rein zufällig.«
Conny sah Herrn Jensen unschuldig an. »Ich habe in der Schule von der Sattelbande erzählt. Und alle in unserer Fledermaus AG angemacht, dass sie mir noch Geld schulden. Eintrittsgeld für die Besichtigung der Fledermäuse auf Ihrem Heuboden. Jeder hat etwas herausgerückt, auch Frau Arlheiten. Sie wissen schon, die Lehrerin. Und alle fanden es gut, dass ich von dem Geld eine Trense kaufe.«
Jensen gab Conny das Zaumzeug zurück. »Du scheust auch vor nichts zurück, was?«
»Wenn es um die Pferde geht - nein«, gab Conny lachend zur Antwort.
»Du kannst Rocky gleich auftrensen. Wir machen nämlich nachher in eurer Reitstunde ein Spiel. Und
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