Reiterhof Birkenhain 10 - Ende für die Reitschule
lachte.
»Ich bekenne mich schuldig. Eure Eltern wollten euch nur gehen lassen, wenn sie mitkommen durften. Sie haben in der Nebenstraße gewartet. Herrn Jensen haben sie heute Abend eingeweiht.«
Sie gingen aufeinander zu, wie Sieger, die gemeinsam einen Triumph erkämpft hatten. Vor Markmanns Haus fielen sie sich in die Arme und beglückwünschten sich. Niemand fror mehr, nicht mal Jule. Glück kann sogar kalte Füße wärmen. Als Jule mit ihren Eltern zum Auto ging, atmete sie in vollen Zügen die klare Luft ein. Sie fühlte sich wie befreit. Es schien Jule, als könne sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtig Atem holen.
Einige Tage später stand fest, dass Kai Jensen auf Birkenhain bleiben durfte. Durch die Aussagen der Zeugen war dem Gericht klar geworden: Das Testament, in dem Markmann alles erbte, konnte nicht der letzte Wille des Bauern gewesen sein. Aus den Beobachtungen einiger Zeugen ließ sich ablesen, dass Markmann den Bauern bedroht hatte.
In Markmanns Haus fand die Polizei den Keller voller Strychnin-Gläser. Und der Bauunternehmer konnte nicht begründen, was er damit vorhatte ...
Endlich war die quälende Ungewissheit vorbei. Ein ungeheurer Druck fiel von den Reitern ab.
Als Jensen die Freudenbotschaft verkündete, da tobte die Stallgasse. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von Birkenhains Rettung. Vor den Boxen scharten sich die Reiter zusammen, lachten ausgelassen und umarmten ihre Lieblingspferde.
Luisa und Conny tanzten auf der Stallgasse, bis Kai Jensen sagte: »Schluss jetzt, ihr macht mir ja die Pferde verrückt.« Dabei hörte man genau heraus, wie froh er war, dass endlich wieder Leben in seine Reiter kam.
Den ganzen Dezember über waren sie wie gelähmt gewesen, als laste ein zentnerschweres Gewicht auf ihnen. Nicht einmal Weihnachtsschmuck hatten sie in der Stallgasse aufgehängt. Die einzige schöne Adventsfeier war die Vorlesestunde am Kachelofen gewesen. Danach hoffte man von einem Tag zum anderen auf die erlösen* de Nachricht »Birkenhain bleibt«.
Und nun war der Tag da. Auf einmal fühlte jeder das Bedürfnis, sofort etwas für den Stall zu tun.
Die Killerbienen hängten Tannenzweige und Kugeln auf. Die Nervis brachten elektrische Kerzen für die Tribüne mit. Wilma Löwe verteilte selbst gebackene Plätzchen und plante einen neuen Lesenachmittag: »Sobald mein Baby da ist.« Ulrike Mühlberg hängte einen Zettel ans schwarze Brett »Große Einweihungsparty in meinem Reitershop«. Kai Jensen dachte sich eine besondere Überraschung aus - eine Schlittenfahrt im Schnee. Auf dem Dachboden stand ein uralter hölzerner Pferdeschlitten, den er noch nie angespannt hatte. Wann schneite es schon mal in Hamburg? Selten. Aber in diesem Jahr lagen die Reitwege unter einer dichten Schneedecke.
Jensen machte die verrosteten Kufen wieder gleitfähig und reparierte eine gebrochene Holzlatte.
Schon am nächsten Tag, es war der Beginn der Weihnachtsferien, fiel Neuschnee. Kai Jensen hievte den Schlitten vom Boden herunter und spannte den Friesen Ankum an.
Als Jule, Conny, Luisa und Bastian auf dem Reiterhof erschienen, durften sie gleich einsteigen.
»Wir machen eine Schlittenfahrt. Kleine Belohnung für euren großen Einsatz«, sagte Herr Jensen.
Jule, Conny und Luisa kletterten nach hinten, wo mollige Lammfelle über der Holzbank lagen. Kai Jensen schwang sich auf den Bock, Bastian setzte sich neben ihn.
Jensen nahm die Leinen auf und sagte aufmunternd: »Komm, Ankum.« Der schwarze Friese marschierte los. Uber tief verschneite Sandwege ging es in die weiße Landschaft, begleitet vom feinen Gebimmel des Schellengeläuts. Leise knirschte der Schnee unter den Kufen, als sie nach kurzer Zeit über unberührte Wege glitten. Kein Schuhabdruck war zu sehen, nur Tippelspuren von Vogelfüßen. Die Wintersonne strahlte hell und manchmal musste man die Augen schließen, weil der Schnee blendete.
Zu Beginn der Schlittenfahrt redeten alle durcheinander, aber bald breitete sich genussvolle Stille aus. Jeder dachte nur an das eine, an das Wichtigste: Birkenhain ist gerettet.
Ab und zu holperte der Schlitten über gefrorene Hufspuren, dann klingelten die Schellen lauter und ungleichmäßig. Die Luft duftete frisch und sauber. Oder kam es ihnen nur so vor, weil der Alptraum endlich vorbei war?
Der Schlitten geriet über einem gefrorenen Maulwurfshaufen ein wenig in Schräglage, als Connys Handy klingelte.
»Oh Conny, das nervt«, sagte Luisa vorwurfsvoll. »Geh bloß
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