Reiterhof Birkenhain 10 - Ende für die Reitschule
zurück und begutachtete ihr Werk. Man musste schon sehr genau hinsehen, um in der Dämmerung schemenhafte Umrisse zu erkennen.
»Markmann, jetzt bist du dran«, sagte Conny, bevor sie zum Wagen gingen.
Zuerst dachte Conny, sie würde die Stunden bis zum Einzug ins Zelt vor Ungeduld platzen. Aber es gab so viel zu tun - warme Kleidung aussuchen, Schlafsäcke und Isomatten ins Auto bringen, Proviant einpacken dass die Zeit nur so rannte.
Dann war es neun Uhr abends.
Connys Vater holte Luisa und Bastian mit dem Wagen ab. Mittags hatte er sich bei den Familien das Okay für die Nachtaktion geholt. Bei Jule Ahrends Eltern, dort hielt er zum Schluss, gab es trotzdem eine Szene. Ehepaar Ahrend war drauf und dran, die Nachtwache zu verbieten. Brigitte und Peter Ahrend standen frierend auf den Stufen vor ihrem Haus und benahmen sich, als sollte ihre Tochter auf eine Sträflingsinsel verbannt werden.
»Wenn etwas passiert, mein Gott!« Jules Mutter presste beide Hände auf den Magen. »Ich mache mir mein Leben lang Vorwürfe, Kind. Willst du nicht hier bleiben, Julia?« Jule klemmte sich hastig neben Luisa auf den Rücksitz und schnallte sich sofort an.
»Auf keinen Fall. Versprochen ist versprochen.«
Mit verschränkten Armen stand Vater Ahrend am Geländer und musterte Ulli Clasen vor sich und seine Tochter im Auto. Sie saß da wie auf glühenden Kohlen. »Du bleibst strikt bei Herrn Clasen und mischt dich in nichts ein, hörst du, Julia? Meine Güte, ich weiß gar nicht, wo mein Verstand war, als ich dir diese Nachtwache erlaubt habe. Ihr bringt euch in Gefahr wegen ... wegen nichts.«
Jule rutschte nach vorn und steckte ihren Kopf aus der Autotür.
»Papa, es geht um Birkenhain. Und um Sally. Es geht um alles.«
Ihr Gesicht war rot vor Aufregung.
Wie Jule das sagte, fast schrie, das ging Peter Ahrend unter die Haut. Plötzlich fühlte er so etwas wie Stolz auf seine Tochter. Es geht um alles. Respekt, wie sie für ihre Träume kämpfte. Julia war fast dreizehn. Hatte sie nicht das Recht, ihr Ziel zu verfolgen - den Reiterhof zu retten?
Frau Ahrend hatte Jules Aufschrei gar nicht richtig wahrgenommen, weil sie erbärmlich fror und sich ausmalte, wie kalt es erst in einem Zelt sein musste.
»Deine Reiterei bringt uns noch alle um, Julia«, jammerte sie und zog ihre Jacke enger zusammen. »Papa und ich kriegen Magengeschwüre und du holst dir Erfrierungen bei der Kälte.«
»Sie bekommen Ihre Tochter heil zurück, Frau Ahrend.« Ulli Clasen legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich bin ja die ganze Zeit dabei. Es ist gerade mal drei Grad unter null. Und die Schlafsäcke wärmen noch bei 20 Grad Kälte.«
Jules Mutter sah ein bisschen beruhigter aus, aber nicht sehr.
Ulli Clasen machte, dass er zurück ins Auto kam, und fuhr los. Aber erst als das weiße Haus außer Sichtweite war, atmeten alle auf. Jules Eltern waren ein heikler Fall.
Der Tollkirschenweg lag in himmlischer Ruhe, als kurz darauf fünf dick vermummte Gestalten mit Schlafsäcken und Isomatten in das dunkle Waldstück tappten. Der Schnee auf Bäumen und Sträuchern leuchtete matt und machte es leicht, den Weg zum Zelt zu finden. Für Sekunden flackerte Ulli Clasens Taschenlampe auf, um den Zelteingang zu suchen. Durch den Tunnelgang krochen sie hinein.
»Schön, kein Wind mehr«, stellte Luisa fest und zog ihre Mütze herunter. Sie konnte im Zelt aufrecht stehen, wie Jule und Conny. Bastian und Connys Vater mussten sich bücken, um nicht an die Decke zu stoßen.
Conny rückte die Isomatten zurecht und breitete die Schlafsäcke darauf aus, eine Leihgabe der Umweltgruppe. Es waren mollige Daunensäcke mit Wärmekragen und Kapuzen.
Jeder schlüpfte in seinen Sack und zog die Kapuze zu, bis nur noch Augen und Nase zu sehen waren. »Versucht zu schlafen«, sagte Herr Clasen. »Die Nacht wird noch lang. Ich wecke euch, wenn der Fotograf sich meldet.«
Natürlich schlief keiner. Dazu waren sie viel zu aufgeregt. Heute entschied sich die Zukunft von Birkenhain -von Sally, Rocky, Flecken-Paula, King Louis und den anderen Pferden. Wer dachte da an Schlaf?
Doch dann breitete sich in den Schlafsäcken gemütliche Wärme aus und allmählich fielen allen die Augen zu. Bis auf Ulli Clasen natürlich.
Nicht einmal eine Stunde war vergangen, da schoss Jule hoch. Ihr Herz raste wie verrückt. Was war das? Angespannt horchte sie in die Finsternis. Es klang, als ob jemand etwas aufs Zeltdach warf. Sie wagte nicht sich zu rühren. Da, schon wieder. Markmann? Hatte
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