Reizende Gäste: Roman (German Edition)
mit schlechten Nachrichten gerechnet. Ich habe so das Gefühl, daß es jetzt soweit sein könnte.«
»Ich weiß, wie das ist«, meinte Richard sachlich. »Diese Dinge können sich ewig hinziehen. Weißt du, manchmal halte ich es für besser …«
»Ja«, sagte Fleur, griff nach der Times und wandte sich den Anzeigen zu. »Ja, das tue ich auch.«
»Wie lange wirst du hier bei uns bleiben?« fragte Antony. Er saß mit Zara in einer abgelegenen Ecke des Gartens, pflückte träge ein paar Erdbeeren und steckte sie sich in den Mund, während sie in eine dicke Hochglanzzeitschrift vertieft war. Zara sah zu ihm auf. Da sie eine undurchsichtige schwarze Sonnenbrille trug, vermochte er ihren Gesichtsausdruck nicht zu lesen.
»Keine Ahnung«, erwiderte sie und blickte wieder in ihre Zeitschrift.
»Es wäre toll, wenn du noch da wärst, wenn Will wiederkommt«, sagte Antony. Er wartete auf Zaras Frage, wer Will sei oder wo er sich jetzt befinde. Aber sie kaute nur ein paarmal auf ihrem Kaugummi herum und blätterte eine Seite weiter. Antony aß noch eine Erdbeere und fragte sich, warum er sie nicht einfach da sitzen ließ und Golf spielen ging oder so etwas. Zara brauchte keine Betreuung; sie sagte kaum je etwas; nie lächelte oder lachte sie. Rasend miteinander amüsieren taten sie sich wahrlich nicht. Und doch faszinierte ihn etwas an ihr. Eigentlich hätte es ihm schon gereicht, den ganzen Tag einfach nur dazusitzen und Zara anzustarren, sonst gar nichts. Gleichzeitig kam es ihm aber nicht richtig vor, mit jemandem beisammenzusitzen und nicht wenigstens den Versuch zu machen, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
»Wo wohnst du eigentlich normalerweise?« erkundigte er sich.
»Mal hier, mal da.«
»Aber du mußt doch irgendwo zu Hause sein.« Zara zuckte die Achseln. Antony überlegte einen Moment.
»Na … und wo hast du dann deine letzten Ferien verbracht?«
»Bei einem Freund«, erwiderte Zara. »Auf dessen Jacht.«
»Ach so.« Antony wechselte die Lage. Jachten standen außerhalb seiner Erfahrungswelt. Von anderen aus der Schule wußte er lediglich, daß man verdammt reich sein mußte, um eine zu besitzen. Er betrachtete Zara mit neuem Respekt und überlegte, ob sie noch näher darauf eingehen würde. Aber noch schien die Zeitschrift sie völlig zu fesseln. Antony spähte über ihre Schulter auf die Abbildungen. Auf allen waren Mädchen wie Zara, dünn und jung, mit knochigen Schultern und eingefallenen Brustkörben, die mit großen, traurigen Augen in die Kamera blickten. Keines davon sah älter aus als Zara. Er fragte sich, ob sie sich in den Bildern wiedererkannte oder ob sie sich nur die Kleider anschaute. Er persönlich fand ein Outfit schauerlicher als das andere.
»Stehst du auf Designerklamotten?« versuchte er es. Er betrachtete Zaras T-Shirt. Könnte das vielleicht von einem berühmten Designer stammen? Schwer zu sagen. »Deine Mutter trägt sehr schöne Sachen«, setzte er höflich hinzu. Ihm kam das Bild von Fleur in ihrem roten Kleid in den Sinn, ganz Kurven und glänzendes Haar und perlendes Lachen. Auch wenn sie es versucht hätte, Zara hätte nicht gegensätzlicher als ihre Mutter sein können. Dann kam ihm, daß sie genau das ja vielleicht beabsichtigte.
»Was hast du für ein Sternzeichen?« Ihre rauhe Stimme riß ihn aus seinen Gedanken.
»Äh, Widder.« Ohne ihn anzugucken, begann sie laut vorzulesen.
»Pluto gibt Ihrem Leben eine Richtung. Nach dem achtzehnten treten Sie in eine zielstrebigere Lebensphase ein.« Sie blätterte die Seite um.
»Glaubst du wirklich an all dieses Zeug?« fragte Antony, ehe sie fortfahren konnte.
»Kommt darauf an, was drinsteht. Wenn’s was Gutes ist, dann schon.« Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, und um ihre Mundwinkel erschien ein verschmitztes Lächeln.
»Na, was steht denn dann in deinem Horoskop drin? Was bist du überhaupt?«
»Schütze.« Sie warf die Zeitschrift aufs Gras. »In meinem steht, bring dein Leben in Ordnung und hör auf, beschissene Horoskope zu lesen.« Sie warf den Kopf zurück und holte tief Luft. Antony überlegte fieberhaft. Das war der Moment, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
»Gehst du ab und zu aus?« fragte er.
»Na klar«, erwiderte Zara. »Wenn wir in London sind. Wenn ich jemanden habe, der mitgeht.«
»Ah ja.« Wieder dachte Antony nach. »Und dein Dad, wohnt der in London?«
»Nein. Der lebt in den Staaten.«
»Was, ehrlich? Ist er Amerikaner?«
»Ja.«
»Cool! Wo genau wohnt er denn dort?« Das
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