Reizende Gäste: Roman (German Edition)
noch mehr in Schale geworfen als sie. Sie trug dasselbe schwarze Kostüm wie bei ihrer ersten Begegnung bei dem Gedenkgottesdienst, dazu einen wundervollen schwarzen Hut, der mit winzigen violetten Blumen bedeckt war. Auf ihrem Weg durch die Bahnhofshalle starrten alle sie an, und Philippa schwellte stolz die Brust. Diese gepflegte, elegante Schönheit war ihre Freundin. Ihre Freundin!
»Liebes!« Fleurs Kuß war zwar eher auf Effekt aus als warm, aber das war Philippa egal. In einer jähen Woge des Hochgefühls stellte Philippa sich sie beide vor, wie sie in ihren Kostümen dastanden – die eine in einem rosafarbenen, die andere in einem schwarzen. Zwei bezaubernde Frauen, die sich zum Lunch trafen. Wenn ihr tags zuvor so ein Anblick untergekommen wäre, dann hätte sie wehmütiger Neid gepackt; heute war sie der Anblick. Sie war eine dieser bezaubernden Frauen.
»Wohin sollen wir zuerst gehen?« erkundigte sich Fleur. »Für halb eins habe ich bei Harvey Nichols einen Tisch reserviert, also könnten wir an einer anderen Ecke beginnen. Wo würdest du denn gern zum Shoppen gehen?«
»Ich weiß nicht!« rief Philippa aufgeregt. »Laß uns auf die Karte schauen. Ich habe einen U-Bahnausweis …«
»Ich dachte eigentlich eher an ein Taxi«, unterbrach Fleur sie freundlich. »Ich fahre grundsätzlich nicht mit der U-Bahn, wenn ich es verhindern kann.« Philippa spürte, wie ihr vor Beschämung das Blut in den Kopf schoß. Einen entsetzlichen Moment lang hatte sie das Gefühl, als ob der Tag bereits ruiniert sein könnte. Doch plötzlich lachte Fleur und hakte sich bei Philippa unter.
»Ich sollte nicht so pingelig sein«, lenkte sie ein. »Ich nehme an, du benützt die U-Bahn ständig, stimmt’s Philippa?«
»Jeden Tag«, bestätigte Philippa. Sie zwang sich dazu, Fleur anzulächeln. »Aber ich bin durchaus willens, einmal darauf zu verzichten.«
Fleur lachte. »Braves Mädchen!« Sie begannen, in Richtung Taxistand zu gehen, und Philippa blieb bei Fleur eingehakt. Es kam ihr vor, als stünde sie am Beginn einer Liebesaffäre, und ihr war fast schwindlig vor Aufregung.
Im Taxi wandte sich Philippa erwartungsvoll zu Fleur und wartete aufgekratzt auf den Anfang eines ausgelassenen, intimen Plausches. Sie hatte sich sogar schon eine zärtliche Geste ausgedacht. »O Fleur!« würde sie im passenden Augenblick ausrufen. »Du bist schon wirklich einmalig!« Und dann würde sie Fleur wie einer alten Freundin den Arm drücken. Der Taxifahrer würde sie im Rückspiegel anschauen und sie für uralte Freundinnen halten. Oder vielleicht sogar für Schwestern.
Aber Fleur starrte wortlos aus dem Fenster auf den Verkehr hinaus. Sie hatte die Stirn in Falten gezogen, biß sich auf die Lippen und sah aus, dachte Philippa unbehaglich bei sich, als wolle sie nicht gestört werden. Als würde sie über etwas nachdenken; als würde sie überhaupt nicht wirklich hier sein wollen.
Da drehte sie sich unvermittelt zu Philippa um.
»Erzähl mal, du und Lambert, seid ihr glücklich miteinander?« Erschrocken zuckte Philippa zusammen. Heute wollte sie nicht über Lambert nachdenken. Aber Fleur wartete auf eine Antwort.
»O ja.« Sie schenkte Fleur ein strahlendes Lächeln. »Wir führen eine äußerst glückliche Ehe.«
»Eine glückliche Ehe«, echote Fleur. »Was genau macht eine Ehe glücklich?«
»Na ja«, erwiderte Philippa unsicher. »Du weißt schon.«
»Tue ich das?« gab Fleur zurück. »Ich bin mir da nicht so sicher.«
»Aber du warst doch verheiratet, oder?« warf Philippa ein. »Mit Zaras Vater.«
»O ja«, sagte Fleur vage. »Natürlich. Aber nicht glücklich.«
»Wirklich? Das wußte ich nicht.« Philippa sah Fleur beklommen an und fragte sich, ob sie wohl über ihre unglückliche Ehe sprechen wollte. Doch Fleur winkte ungeduldig ab.
»Was ich eigentlich meine, ist, warum heiratet man überhaupt?« Sie starrte Philippa an. »Was hat dich zu dem Entschluß geführt, Lambert zu heiraten?«
Als würde sie zum falschen Spezialthema befragt, durchzuckte Philippa leichte Panik. Positive Bilder von ihr und Lambert gingen ihr in rascher Folge durch den Kopf; sie beide an ihrem Hochzeitstag; ihre Flitterwochen auf den Malediven; Lambert, gebräunt und liebevoll; Nachmittage voller Sex unter einem Moskitonetz.
»Nun, ich liebe Lambert«, sagte sie schließlich. »Er ist stark, und er sorgt für mich …« Sie warf Fleur einen raschen Blick zu.
»Und?«
»Und wir haben Spaß miteinander«, meinte Philippa
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