Reizende Gäste: Roman (German Edition)
Zara. »Ich gehe mit niemandem. Johnny ist bloß ein Freund. Ein wirklich guter Freund.«
»Ah so?« Antony versuchte, unbeschwert und fröhlich zu klingen. »Die Nummer kenne ich schon.«
»Antony, Johnny ist sechsundfünfzig!«
»Oh!« sagte Antony und kam sich töricht vor.
»Und er ist schwul!« fügte Zara hinzu.
»Schwul?« Er glotzte sie an.
»Ja, schwul!« Sie kicherte. »Bist du jetzt zufrieden?« Sie eilte zurück in den Garten.
»Wohin gehst du?« rief Antony und rannte hinter ihr her.
Gemeinsam kamen sie keuchend auf dem Rasen an.
»Okay, Johnny sagt, er hofft, daß du dich eines anderen besonnen hast, und wenn, daß du ihn anrufst«, verkündete Zara.
»Umentschieden? In welcher Hinsicht?« fragte Fleur.
»Er sagte, du wüßtest schon, wovon er redet. Und … er sagte auch, daß er vielleicht mit mir nach New York fliegt! Als ein besonderes Geschenk zum vierzehnten Geburtstag!« Sie warf Fleur einen triumphierenden Blick zu.
»New York!« rief Antony. »Phantastisch!«
»Wie nett«, bemerkte Fleur bissig.
»Na, das soll ich dir jedenfalls ausrichten.« Zara zog einen Kaugummi aus ihrer Hosentasche, packte ihn aus und kaute glücklich darauf herum. »Und, wirst du ihn anrufen?«
»Nein.« Fleur klappte das Musterbuch zu. »Das werde ich nicht.«
13
Am Freitag morgen fuhr Richard frühzeitig zu seiner Sitzung, und Fleur stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Allmählich wurde ihr seine ständige Gegenwart ein bißchen zu viel. Je mehr der Sommer in seiner ganzen Schönheit hereinbrach, desto mehr Tage nahm er sich frei – längst fällige Urlaubstage, erklärte er – und verbrachte sie alle zu Hause. Das erste Mal, als sie das Wort Urlaub gehört hatte, hatte Fleur hinreißend gelächelt und sich gefragt, ob sie ihn dazu überreden könne, mit ihr nach Barbados zu reisen. Aber Richard wollte nicht fort. Wie ein liebeskranker Halbwüchsiger hatte er einzig und allein den Wunsch, bei ihr zu sein. Er war die ganze Nacht in ihrem Bett; den ganzen Tag an ihrer Seite; es gab kein Entrinnen. Tags zuvor hatte sie doch tatsächlich vorgeschlagen, daß sie beide zusammen Golf spielten. Egal was, Hauptsache, die Monotonie wurde unterbrochen. Wir müssen vorsichtig sein, dachte sie, als sie ihren Morgenkaffee trank, sonst verfallen wir noch in einen eintönigen Trott.
Sie gab sich einen Ruck. Sie würde mit Richard in keinen Trott verfallen, weil sie gar nicht bei Richard blieb. Heute nachmittag um fünfzehn Uhr würde sie beim Gedenkgottesdienst von Hattie Fairbrother sein, Ehefrau des Geschäftsmagnaten Edward Fairbrother im Ruhestand; bis der Empfang vorüber war, hatte sie womöglich schon völlig neue Pläne.
Sie erhob sich, untersuchte ihr schwarzes Kostüm nach Knitterfalten und ging nach oben. Während sie die Treppen hochstieg, kam ihr erneut das Arbeitszimmer in den Sinn. Noch immer hatte sie keine Möglichkeit gehabt, Richards Angelegenheiten auszukundschaften. Dabei hätte das nun, da sie das Arbeitszimmer ganz offiziell neu einrichtete, ein leichtes sein sollen. Eigentlich konnte sie hineinschlendern, wann immer sie wollte, konnte herumschnüffeln, Schubladen öffnen und wieder schließen, konnte alles herausfinden, was sie über Richards geschäftliche Angelegenheiten wissen wollte, und niemand würde Verdacht schöpfen. Dennoch war es mit dem sie ständig anhimmelnden Richard an ihrer Seite schwieriger als erwartet geworden, einen Zeitpunkt zu finden, an dem sie dort allein sein konnte. Abgesehen davon war sie fast sicher, daß er nicht ganz das Kaliber hatte, das sie sich erhofft hatte. Johnny mußte da etwas in die falsche Kehle bekommen haben. Richard Favour war lediglich ein mäßig begüterter Mann, dessen Gold Card ihr vielleicht fünfzehn- bis zwanzigtausend Pfund bescheren würde. Da lohnte es sich schon fast nicht, die langweiligen kleinen Bücher durchzuschauen.
Doch die Macht der Gewohnheit zog sie zur Arbeitszimmertür. In wenigen Minuten war das Taxi da, das sie zum Bahnhof bringen sollte, doch es blieb genug Zeit, um kurz Richards jüngste Korrespondenz durchzugehen. Im übrigen sollte sie ja sein Arbeitszimmer neu gestalten. Sie öffnete die Tür mit dem Zweitschlüssel, den Richard ihr gegeben hatte, betrachtete die düsteren Wände und erschauerte. Ihr Blick fiel auf das große Fenster hinter dem Schreibtisch; im Geist sah sie einen edlen Vorhang aus tiefem Grün daran. Passend dazu würde sie einen dunkelgrünen Teppich aussuchen. An die Wände kämen eine
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