Reizende Gäste: Roman (German Edition)
zögerlich.
»Aber woher wußtest du, daß er der Richtige für dich ist?« beharrte Fleur. »Woher wußtest du, daß du dich nicht mehr weiter umgucken mußtest und … und dich für immer binden könntest?«
Philippa spürte, wie sie rot anlief.
»Ich wußte es einfach«, sagte sie mit einer Stimme, die zu hoch und zu abwehrend klang.
Unversehens kam ihr eine Erinnerung an ihre Mutter in den Sinn; eine Erinnerung, von der sie geglaubt hatte, sie hätte sie total aus dem Gedächtnis gestrichen. Ihre Mutter, im Bett, wie sie Philippa mit ihrem eisigblauen Blick fixiert und gesagt hatte: »Du sagst ja zu Lambert, Philippa, und bist dankbar. Welch anderer Mann würde ein Mädchen wie dich schon haben wollen?«
»Jim wollte mich«, hatte Philippa mit bebender Stimme eingewandt.
»Jim?« hatte ihre Mutter geschnauzt. »Dein Vater verachtet Jim! Er würde es dir nie erlauben, Jim zu heiraten. Du nimmst Lamberts Antrag besser an.«
»Aber …«
»Nichts aber! Das ist deine einzige Chance. Schau dich doch an! Hübsch bist du nicht, Charme hast du auch keinen, nicht einmal eine Jungfrau bist du mehr! Welcher andere Mann würde dich wollen?«
Bei der Zurechtweisung war Philippa schlecht geworden. Es war, als ob sie in Stücke gerissen worden wäre. Nun wurde ihr mit einemmal wieder übel.
»›Du wußtest es einfach.‹« Fleur klang unzufrieden. »Na, ich wußte einfach, daß dies der richtige Hut für mich war.« Sie deutete auf ihren Kopf. »Und dann, als ich ihn gekauft hatte, entdeckte ich einen sogar noch besseren.«
»Der Hut ist bezaubernd«, meinte Philippa matt.
»Das Problem ist«, erklärte Fleur, »daß man zwar mehr als einen Hut haben kann. Du kannst zwanzig Hüte haben. Aber zwanzig Ehemänner eben nicht. Machst du dir nie Gedanken darüber, daß du dich zu früh festgelegt haben könntest?«
»Nein«, entgegnete Philippa sofort. »Eigentlich nicht. Einen besseren Ehemann als Lambert gibt es für mich nicht.«
»Wie schön!« Fleur lächelte Philippa an. »Das freut mich für dich!«
Philippa starrte Fleur unsicher an und spürte, wie ihr strahlendes, glückliches Lächeln erlosch. Und plötzlich wünschte sie sich, zum erstenmal in ihrem Leben, daß sie ehrlicher gewesen wäre. Sie hätte sich Fleur anvertrauen können; sie hätte ihre Sorgen mit Fleur teilen und sie um Rat fragen können. Aber ihr allererster Impuls war der gewesen, ein rosiges, romantisches Bild von sich zu zeichnen; ein Bild, das Fleur würdigen und um das sie sie möglicherweise sogar beneiden würde. Nun war für Philippa die Chance vorbei, mit der Wahrheit herauszurücken.
Kurz nachdem Gillian zu ihrem Bridgeunterricht aufgebrochen war, erreichte Lambert »The Maples«. Er parkte den Wagen, sperrte die Tür auf und stand lauschend in der Diele. Aber wie erwartet, herrschte im Haus Stille. Am Abend zuvor hatte er angerufen und vor Gillian beiläufig erwähnt, daß er zwischen verschiedenen Terminen vielleicht einmal vorbeischauen würde.
»Aber es wird niemand da sein«, hatte sie eingewandt. »Richard fährt nach Newcastle, ich spiele Bridge, und Antony ist vermutlich mit Zara unterwegs und übt für den Club Cup.«
»Ich schaue trotzdem mal herein«, hatte er leichthin erwidert. »Ich komme ja eh vorbei.«
Nun strebte er unverzüglich auf Richards Arbeitszimmer zu. Es wäre ein Klacks, die benötigte Information zu finden, und dann, wenn er wieder zu Hause war, eine angemessene Summe auf sein eigenes Konto zu überweisen. Innerhalb einer Woche könnte er einen Scheck für die Bank bereit haben, der ihn ein paar Monate freikaufen würde. Und Weihnachten wäre Philippa dann neunundzwanzig, das Treuhandvermögen würde in greifbare Nähe rücken, und er wäre seine lästigen Geldprobleme endgültig los.
Nachdem er das Arbeitszimmer betreten hatte, ging er absurderweise unwillkürlich in die Knie und spähte unter den Schreibtisch. Als wüßte er nicht, daß Fleur mit seiner eigenen Frau in London war. Einen weiteren Gedenkgottesdienst besuchte. Hatte diese Frau denn nichts Besseres zu tun, als zu verflixten Gedenkgottesdiensten zu gehen? Finster starrte er den staubigen Teppich an und stand dann auf, ging zu dem Aktenschrank und zog die dritte Schublade auf; die Schublade, die er das letztemal nicht mehr hatte öffnen können. Und wie zur Belohnung waren darin Ordner über Ordner mit Richards Bankauszügen.
»Bingo!« flüsterte er. Er kniete sich hin und zog aufs Geratewohl einen Ordner mit der Aufschrift
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