Rendezvous in Kentucky
genäht hatte. Es war aus leichtem blauem Baumwollstoff, im Nacken etwas ausgeschnitten und wurde mit einem Band in der Taille zusammengehalten. Die Puffärmel reichten bis zum Ellbogen. Eigentlich war es mehr ein Sommerkleid, doch auf dem Fest würde es sicherlich sehr warm werden. Sie kämmte ihr langes frischgewaschenes Haar, bis es in seidigen Wellen über die Schultern fiel.
Einen Moment lang stand sie nervös vor dem Kamin und schalt sich selbst für ihren Wankelmut. Wenn Devon sie nur hübsch fand, wenn Devon... Sie lachte laut. Sie fragte sich, was er sagen würde, wenn er wüßte, wie oft sie in den letzten Wochen an ihn gedacht und daß sie viele Stunden an dem Kleid genäht hatte. Und alles nur für ihn! Ob er sie auffordern würde, mit ihm nach draußen zu gehen, weil die Luft im Saal so stickig war? Würde er das fragen? Sie würde freudig mit ihm gehen. Sie würde ihm überallhin folgen!
Linnet öffnete die Tür und schritt in die Nachtluft. Die Kälte kam ihr auf dem kurzen Weg zum Laden gar nicht zu Bewußtsein. Ängstlich öffnete sie die Tür zu Devons Laden und spähte hinein. Viele Augenpaare wandten sich ihr zu, aber keins davon gehörte Devon. Der saß zusammen mit Corinne in einer lauschigen Ecke und hatte sie noch nicht einmal bemerkt.
Agnes Emerson kam zu Linnet. »Lynna, möchtest du ein bißchen mit mir herumspazieren? Du denkst doch nicht ernstlich daran, ihn zu heiraten, oder?«
Einen Moment lang war Linnet verwirrt. Dann lächelte sie abwesend dem jungenhaften Worth Jamieson zu, der in ihrer Nähe stand.
»Woher weißt du, daß mich Worth gefragt hat?«
»In Sweetbriar bleibt nichts verborgen, Kind. Ich weiß ja auch, daß du dich mit Devon gestritten hast. Ihr sprecht kein Wort mehr miteinander, nicht?«
Linnet senkte betreten den Kopf und starrte auf ihre Hände. »Ich fürchte, es hat da einige Mißverständnisse gegeben. Er hat ja auch schon eine andere.«
»Ach was, Corinne interessiert ihn nicht im geringsten!« Agnes kam zum Kern der Sache: »Wenn Worth oder ein anderer Corinne einen Heiratsantrag machen würde, dann würde sie ihn sofort zum Altar schleifen! Im Moment rechnet sie sich allerdings große Chancen aus, daß sie Mac kriegt. Dazu kommt, daß der Junge nicht unvermögend ist.«
»Agnes, bin ich für jedermann so leicht zu durchschauen?«
»Aber sicher, mein Mädel! Wenn du Mac ansiehst, schmilzt du förmlich dahin!«
»Nein! Bitte, sag so was nicht!«
»Es ist die nackte Wahrheit! Und jetzt wollen wir überlegen, wie wir ihn von Corinne loseisen können! Wenn er dich einmal richtig angesehen hat, wird er kaum noch einen Blick für eine andere Frau übrighaben. Mac«, rief Agnes, »komm mal eben aus deiner Ecke und schau dir unsere Linnet an!«
Devon sah auf. Seine Augen weiteten sich erstaunt.
»Ich glaube, jetzt hast du ihn an der Angel. Gib ihn nicht wieder frei«, flüsterte Agnes Linnet zu. Dann steuerte sie zielsicher Corinne an, um sie davon abzuhalten, Mac und Linnet zu stören.
»Du siehst gut aus, Linnet«, bemerkte Devon leise.
»Wirklich?«
»Ja, wirklich«, lachte er.
Doll fing an zu fiedeln. Devon griff nach Linnets Arm. »Möchtest du tanzen?«
»Ich glaube, du mußt mir die Schritte erst zeigen.«
»Hier gibt’s keine Schritte, du mußt nur mit den Füßen stampfen.« Er ergriff ihre Hände und wirbelte sie herum. Das Ganze war ziemlich anstrengend, und sie war bald sehr durstig.
Devon führte sie zu dem Faß mit Apfelwein und füllte ihr einen Becher. Sie sahen sich tief in die Augen. Plötzlich packte er sie um die Taille und zog sie eng an sich. »Deine Augen haben die Farbe von Honig mit kleinen Silberfünkchen darin. Aber manchmal könnte ich schwören, daß sie rotbraun sind.« »Junge, laß das Süßholzraspeln!« rief Floyd Tucker zu ihnen herüber. »Da drüben siehst du, wohin das führen kann!« Er deutete auf eine Anzahl Kinder, die neben der hochschwangeren Esther Stark saßen.
Linnet fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Doch Devon drückte sie noch fester an sich und grinste: »Du bringst mich da auf einen guten Gedanken, Floyd!«
»Devon!« Empört löste sie sich von ihm, aber er lachte sie so lange spitzbübisch an, bis sie nicht anders konnte und zurücklächelte.
»Agnes«, rief Lyttle seiner Frau zu, »ich glaube, wir müssen mit dem Ausschoten anfangen, sonst verlieren die jungen Leute hier noch Maß und Ziel!«
»Na ja, Lyttles Idee ist nicht halb so gut wie die von Floyd, aber es wird schon
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