Rendezvous in Kentucky
berühren durften und er sie nur wenig in ihren Bemühungen unterstützen konnte. Die beiden Frauen sahen deutlich, wie der Schmerz seine Züge verzerrte. Sie breiteten einen Strohsack über den Tisch, so daß sich De-von dagegen lehnen konnte. Linnet blutete das Herz, und sie litt mit ihm.
Nachdem sie ein paarmal geschluckt hatte, gelang es Linnet, ihre Scham zu überwinden, und sie brachte es fertig, ihm beim Wasserlassen zu helfen. Phetna half ihr nicht, sondern stand nur grinsend dabei. Sie ergötzte sich sichtlich an Linnets Verlegenheit.
Als der Tee fertig war, streute Phetna eine Prise Salz in das duftende Gebräu und erklärte, daß sie Devon Salz zuführen müßten, da sein Körper Salz ausscheiden würde. Linnet staunte. Aber sie verbiß sich die Frage, woher Phetna diese Kenntnisse hatte. Devon wehrte sich, als ihm der Tee gereicht wurde. Er würgte alles wieder heraus.
»Sie müssen ihn zum Trinken zwingen!« mahnte Phetna. »Es ist doch immer wieder dasselbe — die wollen einfach sterben. Man kann sie nie überzeugen, daß sie weiterleben werden.«
»Aber er weigert sich«, erwiderte Linnet niedergeschlagen. »Wie kann ich ihn dazu bringen zu trinken?«
»Ach, ich weiß auch nicht. Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten — jeder hat seine eigene Methode. Nase zuhalten, drohen, küssen — das machen Sie ja schon die ganze Zeit — irgendwas eben, damit er trinkt. Aber das ist noch gar nicht so schlimm. Warten Sie nur, bis er auch essen soll! Dann wird es wirklich schwierig!«
»Aber ich kann doch nichts tun, solange er mich nicht hören kann! Er ist doch seit dem Feuer bewußtlos!«
»Ha! Der hört so gut wie Sie und sogar ein bißchen besser als ich!«
»Aber warum sagt er dann nichts?« fragte Linnet erstaunt.
»Weil er große Schmerzen hat, Mädchen! Unerträgliche Schmerzen! Du kannst nicht reden, während dein Körper inwendig verglüht!«
»Devon«, flüsterte sie in sein Ohr, »du mußt den Tee trinken. Wir möchten alle, daß du wieder gesund wirst. Miranda möchte dich endlich richtig kennenIernen. Im Moment hält sie dich noch für eine zu groß geratene Gliederpuppe. Wenn du wieder gesund bist, kannst du ihr einen Puppenkopf schnitzen, und ich nähe den Körper, ja? Würdest du das für deine Tochter tun?«
Linnets Worte schienen den richtigen Nerv getroffen zu haben, denn Devon versuchte zu trinken.
Am dritten Tag nach dem Unglück hörten die Blasen auf zu eitern und begannen zu verkrusten. An eben diesem Tag, als die erschöpfte Linnet gerade wieder einmal versuchte, Devon Tee einzuflößen, sprach er die ersten Worte.
»Küß mich«, flüsterte er mit krächzender Stimme.
»Wie bitte?« fragte Linnet erstaunt und setzte den Zinnbecher auf den Tisch. Phetna und Miranda spielten draußen, und sie waren allein in der Blockhütte.
»Küß mich«, wiederholte Devon und wandte ihr den Kopf zu.
Wie schön war es doch, wieder in diese schillernden blauen Augen zu sehen!
»Erst wenn du mich geküßt hast, werde ich einen Schluck trinken.«
»Aber Devon! Was redest du da? Drei ganze Tage habe ich deine Stimme nicht gehört. Dein Rücken ist völlig verbrannt. Und da stellst du vollkommen unsinnige Forderungen an mich!«
»Nicht streiten, Lynna. Bitte.« Sein Kopf sank zur Seite, und seine Augen schlossen sich wieder.
»Nein, mein Liebster. Es tut mir leid. Ich werde dich küssen.« Sie hauchte Küsse auf seine Wange, seine Schläfe, seine Augenlider — genauso, wie sie es in den vergangenen Tagen immer wieder getan hatte. Hatte er diese Zärtlichkeiten gespürt, wie Phetna es behauptet hatte? Oder war er bewußtlos gewesen?
Am vierten Tag schien er kräftiger zu sein. Obwohl er kaum etwas sagte, wußte Linnet, daß er wach war und jede ihrer Berührungen spürte.
»Sieht so aus, als ob er es geschafft hätte«, stellte Phetna zufrieden am Nachmittag des vierten Tages fest.
»Ich wollte, ich wäre so sicher wie Sie. Warum sagt er keinen Ton?«
»Du lieber Gott! Lassen Sie ihm doch noch ein paar Tage Zeit! Es ist immer das gleiche — zuerst geben sie keinen Ton von sich, weil sie Schmerzen haben. Sobald es ihnen besser geht, plagen sie einen mit ihren Klagen über jedes Zwicken und Zwacken. Das ist eine wahre Geduldsprobe, das kann ich Ihnen sagen! Andererseits ist dieses Gejammer auch ein gutes Zeichen — dann sind sie über dem Berg!«
»Also ehrlich gesagt — ich würde ihn jetzt ganz gern ein bißchen jammern hören. Dieses Schweigen macht mich noch
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