Rendezvous in Kentucky
eben durchsetzen! Ich glaube, mein Vater war genauso!« Sie lächelte. »Aber jetzt beschreiben Sie mir endlich den Weg zu Ihrer Hütte!«
Sie lauschte aufmerksam Phetnas Worten. Das Blockhaus lag sieben Meilen entfernt. Das machte für Hin- und Rückweg vierzehn Meilen. Sie würde sich beeilen müssen, denn der Regen würde ihr Tempo vermindern. Als sie nach draußen ging, klatschte das Wasser in Sturzbächen auf die Erde, und so hörte sie nicht, wie Devon schwach gegen ihr Vorhaben protestierte. Er wollte sie von dieser gefahrvollen Unternehmung abhalten.
Der schmale Pfad war so morastig, daß sie bis zu den Knöcheln einsank. Der Schlamm lief in ihre Schuhe und setzte sich zwischen ihren Zehen fest. Der Regen rann ihr übers Gesicht und durchnäßte ihren Wollschal, so daß der muffige Geruch des Kleidungsstücks sie umwehte. Ihr langes, dickes Haar war klatschnaß.
Sie war sehr erleichtert, als sie endlich die kleine Blockhütte erblickte. Dankbar stieß sie die schwere Eichentür auf und ließ sich vor dem ausgebrannten Kamin nieder. Sie atmete schwer, und ihre Beinmuskeln schmerzten, weil das Stapfen im Matsch jeden Schritt zu einer Qual gemacht hatte. Sie zog die Nadeln aus dem Haar und ließ die schweren Flechten den Rücken hinunterfallen. Mit den Händen preßte sie das Wasser aus dem Haar.
Plötzlich griff eine fremde Hand in die nassen Strähnen. Ihr Kopf wurde zurückgezogen, und sie fühlte die kalte, scharfe Klinge eines Messers an ihrer Kehle.
»Was tust du hier?«
»Bitte«, flüsterte sie vorsichtig. »Ich hole nur Medizin. Phetna hilft mir bei der Behandlung eines Mannes mit schweren Brandwunden. Ich hole nur Medizin!«
Der Mann ließ sie los und schob sie vorwärts, bis sie sich an den rauhen Steinen des Kamins abstützen konnte. Sie drehte sich um und betrachtete ihren Angreifer. Es war ein junger Indianer. Er war ganz in fransenbesetztes Büffelleder gekleidet, und sein dichtes, schwarzes Haar fiel ihm auf den Rücken.
»Ich nehme mir nur die Medizin, dann muß ich sofort zu dem kranken Mann zurück.«
Der junge Indianer beobachtete sie, als sie sich auf einen Stuhl stellte, um die langen Äste mit den Hagebutten von den Deckenbalken zu holen. Er schien völlig verblüfft zu sein und fragte sich anscheinend, was er nun mit ihr anfangen sollte.
»Zu welchem Stamm gehörst du?« fragte sie mit zitternder Stimme. Er war eher ein Junge als ein furchterregender Krieger — aber man konnte ja nie wissen. Vielleicht war er aber auch nur zu der Hütte gekommen, um Schutz vor dem Regen zu finden.
Er richtete sich stolz auf. »Ich bin ein Shawnee!« erwiderte er.
Linnet lächelte erleichtert und fühlte sich wieder sicherer. »Der Mann mit den Brandwunden ist auch ein Shawnee, wenigstens teilweise. Er heißt Devon Macalister.« Das Gesicht des Indianers blieb unbewegt. Linnet fragte sich, ob Devon bei den Indianern vielleicht unter einem anderen Namen bekannt war.
Er musterte sie nachdenklich. »Wie kommst du in die Stadt des weißen Mannes zurück?« »Ich werde zu Fuß gehen. Ich habe kein Pferd.«
»Gelbe Hand« — er deutete auf sich — »wird dich in die Stadt des weißen Mannes begleiten.« Er schien sein Angebot für eine große Ehre zu halten.
Linnet lächelte ihm dankbar zu: »Das ist sehr freundlich von dir. Würdest du mir bitte diese Tasche aufhalten, damit ich sie füllen kann?«
»Das ist keine Arbeit für Männer«, knurrte er verächtlich.
»Oh, das wußte ich nicht. Ich habe nur gedacht, du würdest es für einen deiner Brüder tun.«
Für einen Augenblick schien er verwirrt zu sein, doch dann hielt er den Leinenbeutel hoch, während sie die Hagebutten hineinfüllte. Sie lächelte ihm zu, aber er beachtete sie nicht. Er ist ja noch ein halbes Kind! dachte sie.
Der Regen prasselte laut auf das Dach, so daß die beiden jungen Leute das Hufgetrappel vor der Tür nicht bemerkten. Die Tür flog unvermittelt auf. Der Richter und Mooner Yarnall stürmten herein. Beide hielten ihre Gewehre schußbereit.
Linnet und Gelbe Hand standen wie gelähmt da.
»Los, Linnet, gehen Sie langsam zur Seite«, befahl der Richter mit tiefer, wachsamer Stimme.
»Unsinn!« protestierte sie energisch und stieg von ihrem Stuhl, wobei sie sich genau in die Schußlinie plazierte. »Ich möchte Ihnen Gelbe Hand vorstellen, er ist...«
»Er ist ’ne Rothaut. Die einzig gute Rothaut ist ’ne tote Rothaut!« warf Mooner mit verächtlich gekräuselten Lippen ein.
»Gelbe Hand ist der Freund von
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