Rendezvous mit einem Mörder
der Empfangsdame bei Paradise wohl kaum verdenken, dass diese sie mit einem Blick bedachte, als hätte sie sich selbst erst vor wenigen Minuten vom Bürgersteig gekratzt.
Wasserfälle plätscherten melodisch zwischen den üppigen Pflanzen im Empfangsbereich des exklusivsten Salons der Stadt. Winzige Tassen echten Kaffees und schlanke Gläser mit Mineralwasser oder Champagner wurden denjenigen serviert, die es sich in den dick gepolsterten Sesseln oder auf den Sofas bequem machten. Mit kostenlosen Kopfhörern und Mode-Disketten wurde die Wartezeit auf angenehme Art verkürzt.
Der prachtvolle Busen der Empfangsdame war Zeugnis der erfolgreich im Salon angewandten Figur-Umformungs-Techniken. Sie trug ein eng anliegendes, kurzes Kleid im Rot des Salons, und hatte ihre ebenholzschwarzen Haare zu eleganten Schlangen aufgedreht.
Eve war regelrecht begeistert.
»Tut mir Leid«, erklärte die Frau mit einer wohlklingenden Stimme, die ebenso emotionslos war wie die eines Computers. »Ohne Termin können wir niemanden bedienen.«
»Kein Problem.« Eve lächelte, und es widerstrebte ihr fast, an der kühlen, herablassenden Fassade ihres Gegenübers kratzen zu müssen. Aber eben nur fast. »Damit bekomme ich sicher sofort einen Termin.« Sie zeigte ihre Dienstmarke. »Ich brauche die für Sharon DeBlass zuständige Person.«
Entgeistert starrte die Empfangsdame in Richtung des Wartebereichs. »Die Bedürfnisse unserer Klienten sind streng vertraulich.«
»Da bin ich mir ganz sicher.« Gut gelaunt lehnte sich Eve gegen den U-förmigen Tresen. »Ich kann nett und leise sprechen, so wie jetzt, damit nur Sie mich verstehen – Denise?« Sie warf einen kurzen Blick auf das diskret mit falschen Juwelen besetzte, an der Brust der jungen Dame festgemachte Namensschild. »Oder ich kann lauter sprechen, sodass alle mitbekommen, was ich von Ihnen will. Falls Ihnen der erste Vorschlag besser gefällt, bringen Sie mich vielleicht in ein hübsches, ruhiges Zimmer, in dem wir keinen Ihrer Klienten stören, oder Sie schicken mir den für Sharon DeBlass zuständigen Kosmetiker oder wie auch immer Sie die Leute nennen.«
»Berater«, kam die schwache Antwort. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
»Mit dem größten Vergnügen.«
Und ein Vergnügen war es wirklich.
Außer in Kinofilmen oder Videos hatte Eve nie zuvor einen derartigen Luxus zu sehen bekommen. Der Teppich unter ihren Füßen war dick wie ein Kissen, sodass man lautlos beinahe bis zu den Knöcheln in dem weichen Flausch versank. Kristalltropfen hingen von der Decke und brachen tausendfach das Licht, und überall duftete es nach frischen Blumen und nach verwöhnter Haut.
Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, Stunden damit zu verbringen, sich eincremen, einölen, massieren und umformen zu lassen, wäre es sicher interessant, unter derart zivilisierten Bedingungen so viel Zeit auf Ihre Eitelkeit zu verwenden.
An einer der Wände des kleinen Zimmers, in das Denise sie führte, hing ein riesiges Hologramm von einer Sommerwiese, und leises Vogelzwitschern und eine angenehme, kühle Brise versüßten die Luft.
»Wenn Sie hier bitte warten wollen.«
»Kein Problem.« Eve wartete, bis die Tür geschlossen wurde, und sank dann mit einem wohligen Seufzer in einen tiefen, weichen Sessel. Sofort blinkte der neben dem Sessel angebrachte Bildschirm, und ein freundliches, nachsichtiges Antlitz, das nur das eines Droiden sein konnte, blickte ihr mit einem strahlenden Lächeln entgegen.
»Guten Tag. Willkommen bei Paradise. Die Erfüllung Ihrer Wünsche und Ihre Bequemlichkeit sind unsere größten Anliegen. Hätten Sie vielleicht gerne eine Erfrischung, während Sie auf Ihren persönlichen Berater warten?«
»Sicher. Kaffee. Schwarzen Kaffee.«
»Natürlich. Welche Sorte hätten Sie gern? Drücken Sie bitte Knopf A für Auswahl.«
Eve unterdrückte ein Grinsen, als sie die Anweisung befolgte, verbrachte die nächsten zwei Minuten damit, über das Angebot zu grübeln, und begrenzte es schließlich auf die Optionen Französische Riviera und Caribbean Cream.
Ehe sie jedoch eine endgültige Entscheidung treffen konnte, öffnete sich abermals die Tür, sodass sie sich resigniert erhob und der schrill gekleideten Vogelscheuche entgegensah, die den Raum betrat.
Über dem fuchsienroten Hemd und der pflaumenfarbenen Hose trug das Wesen einen offenen, schlaff an ihm herunterhängenden Kittel in Paradise-Rot. Seine aus dem geradezu schmerzlich hageren Gesicht gekämmten Haare hatten
Weitere Kostenlose Bücher