Rendezvous mit Übermorgen
Unterschiede aufweisen ... ist es das?«
»Ich beginne allmählich zu glauben, dass unser Kollege aus Kyoto recht hatte«, sagte Nicole, statt einer Antwort. »Vielleicht liegt dem allem wirklich ein bedeutungsvolles Muster zugrunde. Ich habe keinen Zweifel, dass das Norton-Team die Erforschung gründlich und genau vorgenommen hat, sodass also alle diese Unterschiede zwischen Rama I und Rama II wirklich Tatsachen sind. Und sobald wir diese Verschiedenheit der zwei Raumschiffe als gegeben anerkennen, haben wir ein weiteres schwieriges Problem. Warum sind sie verschieden?«
Richard hatte fertig gegessen und stapfte nun in dem schwach erhellten Tunnel auf und ab. »Eine ganz ähnliche Diskussion hatten wir, kurz bevor die Entscheidung fiel, ob die Mission abgebrochen werden soll. Bei der Telekonferenz war die wichtigste Frage die, warum die Ramaner eine Kursänderung durchführten, bei der sie in Erdkontakt kommen müssen. Weil Rama I so etwas nicht getan hatte, betrachtete man es als stichhaltigen Beweis dafür, dass Rama II verschieden sein muss. Und die Konferenzteilnehmer hatten keine Ahnung von Flugwesen und Oktarachniden.«
»General Borzow hätte die Vögel gemocht«, sagte Nicole nach einer kleinen Weile. »Er meinte, Fliegen sei das größte und schönste Vergnügen der Welt.« Sie lachte. »Einmal hat er mir gesagt, dass er insgeheim hofft, die Sache mit der Reinkarnation stimme, und dass er dann als Vogel wiedergeboren werden dürfte.«
Richard hielt in seinem Herumtigern kurz inne. »Das war ein feiner Mann«, sagte er. »Ich glaube, wir haben seine vielseitigen Vorzüge nie richtig zu schätzen gewusst.«
Nicole verstaute einen Rest der Manna-Melone in ihrem Rucksack und machte sich für die Fortsetzung ihrer Erforschung bereit. Lächelnd fragte sie ihren peripatetischen Denkerfreund: »Noch eine Frage erlaubt, Richard?«
Er nickte.
»Glauben Sie, wir sind bisher schon Ramanern begegnet? Ich meine, den Wesen, die das Schiff hier gebaut haben. Oder irgendwelchen Abkömmlingen von ihnen.«
Richard schüttelte heftig den Kopf. »Absolut unmöglich«, sagte er. »Vielleicht sind wir auf einige ihrer Geschöpfe gestoßen. Oder sogar auf andere Arten vom selben Heimatplaneten. Aber die Hauptakteure haben die Bühne noch nicht betreten.«
Den Weißen Raum entdeckten sie links von einem horizontalen Gang zwei Etagen unter der Oberfläche. Bis dahin war die Erkundung fast langweilig verlaufen. Sie waren durch zahlreiche Gänge gewandert und hatten in eine leere Kammer nach der anderen gespäht. Viermal waren sie auf Schaltvorrichtungen zur Regulierung von Licht und Temperatur gestoßen. Aber erst der Weiße Raum bot wirklich Interessantes.
Sie waren beide verblüfft, als sie einen Raum betraten, dessen Wände leuchtend weiß gestrichen waren. Abgesehen davon lagen faszinierenderweise in einer Ecke Gegenstände aufgestapelt, die sich bei näherer Inspektion als durchaus bekannte Objekte entpuppten. Da gab es einen Kamm und eine Bürste, einen leeren Lippenstiftbehälter, etliche Münzen, ein Bündel von Schlüsseln und sogar etwas, das wie ein antikes Walkie-Talkie aussah. Auf einem weiteren Haufen lagen ein Ring und eine Armbanduhr, eine Tube Zahnpasta, eine Nagelfeile und ein kleines Manual mit lateinischen Lettern. Richard und Nicole standen ganz benommen da. »Na, dann mal los, mein Genie«, sagte Nicole mit einer Handbewegung. »Erklären Sie uns das da mal alles schön, wenn Sie können.«
Richard hob die Zahncremetrube auf, drehte die Kappe ab und drückte. Eine weiße Masse quoll heraus. Er berührte sie mit einem Finger und leckte daran. »Igitt-und-pfui-Teufel!« Er spuckte das Zeug wieder aus. »Kommen Sie mal mit dem Massenspektrometer her, ja?«
Während Nicole die Zahnpasta mit ihren raffinierten medizinischen Instrumenten untersuchte, nahm Richard sich nacheinander die übrigen Objekte vor. Besonders die Uhr faszinierte ihn. Sie ging nämlich ganz exakt, Sekunde um Sekunde, auch wenn natürlich das Bezugssystem unbekannt war. »Waren Sie je im Raumfahrt-Museum in Florida?«, fragte er Nicole.
»Nein«, antwortete sie geistesabwesend.
»Da gab es ein Display mit Alltagsdingen, die bei der ersten Rama-Mission die Besatzung bei sich hatte. Die Uhr hier sieht genauso aus wie die in dem Display - und ich erinnere mich deshalb so genau, weil ich mir im Museums-Shop genau die gleiche gekauft habe.«
Nicole kam mit verwirrtem Ausdruck im Gesicht zu ihm. »Richard, dieses Zeug ist keine
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