Rendezvous mit Übermorgen
Nichts geschah. Er versuchte es mit »NICOLE«. Immer noch nichts.
»Wissen Sie denn nicht mehr, wie diese alten Modelle funktionierten?«, fragte Nicole grinsend. Sie nahm ihm die Tastatur aus der Hand. »Die hatten alle einen separaten Energieschalter.« Sie drückte die unbezeichnete Taste in der rechten oberen Ecke. Ein Teil der gegenüberliegenden Wand glitt zur Seite und gab eine große schwarze Fläche mit etwa einem Meter Seitenlänge frei.
Das kleine Keyboard beruhte auf dem Modell der an die Taschencomputer angeschlossenen Geräte der ersten Rama-Mission. Es verfügte über vier Reihen zu zwölf Symbolen und eine Extrataste rechts oben für die Inbetriebnahme. Die sechsundzwanzig Buchstaben des lateinischen Alphabets, zehn arabische Zahlen und vier mathematische Operanden waren über vierzig Einzeltasten verteilt. Die übrigen acht Tasten hatten entweder Interpunktions- oder geometrische Zeichen und konnten zusätzlich »Auf«- und »Ab«-Positionen belegen. Richard und Nicole lernten rasch, dass in diesen Sondertasten die eigentliche Kontrollfunktion des ramanischen Systems lag. Durch Herumprobieren entdeckten sie auch, dass das Drücken irgendeiner einzelnen Aktionstaste in funktionalem Zusammenhang zur Positionierung der übrigen sieben Tasten stand. Auf diese Weise konnte das Drücken irgendeiner spezifischen Kommandotaste bis zu 128 unterschiedliche Ergebnisse haben. Alles in allem erlaubte das System 1024 Separataktionen über diese Tastatur.
Die Erstellung des Kommandolexikons war ein mühsamer Prozess. Richard übernahm es freiwillig. Er benutzte ihre eigenen Computer zur Speicherung von Anmerkungen und begann eine Rudimentärsprache zur Übersetzung der speziellen Keyboard-Kommandos zu entwickeln. Das Erstziel war einfach nämlich den ramanischen Computer so wie einen eigenen terrestrischen zu benutzen. Sobald die Übertragung entwickelt war, würde jedes beliebige Input in den Newton-Portable - als Teil seines Output - die Information enthalten, welche Tastenbedienung auf dem ramanischen Keyboard auf dem schwarzen Bildschirm vergleichbare Resonanz bewirkte.
Sogar Richard mit seiner Intelligenz und Computerkenntnis fand diese Aufgabe schwierig. Außerdem konnte man dabei keine zweite Person brauchen. Auf Richards sanften Vorschlag hin, kletterte Nicole an diesem ersten Rama-Tag, den sie in der weißen Kammer verbrachten, zweimal aus dem Höhlenbau. Jedes Mal machte sie ausgedehnte Spaziergänge durch New York. Und immer wieder blickte sie nach oben zum Himmel, ob da nicht endlich der Hubschrauber auftauchte. Auf ihrer zweiten Exkursion ging sie zu der Scheune zurück, in der sie in die Grube gestürzt war. So viel war inzwischen geschehen, dass ihr die beängstigenden Erlebnisse dort schon fast wie eine uralte Geschichte erschienen.
Sie dachte in der Zeit oft an Borzow, Wilson und an Takagishi. Natürlich hatten alle Kosmonauten gewusst, dass ihnen unterwegs auf dem Flug Unwägbarkeiten begegnen konnten, sobald sie die Erde erst einmal verlassen hatten. Sie alle hatten ausgiebig trainiert, wie man technische Probleme an Bord im Griff behalten konnte, die sich möglicherweise als lebensbedrohlich erweisen mochten. Aber keiner von ihnen hatte eigentlich wirklich geglaubt, dass es bei dieser Mission tödliche Unfälle geben könnte. Und wenn Richard und ich hier in New York zugrunde gehen sollten, dann wäre fast die halbe Besatzung tot. Und das wäre dann die größte Katastrophe, seit wir wieder mit bemannten Raumflügen begannen.
Sie stand vor der Scheune, fast an der gleichen Stelle, von der sie und Francesca zuletzt über den Kommunikator mit Richard gesprochen hatten. Aber warum mussten Sie so lügen, Sabatini? Glaubten Sie wirklich, wenn ich verschwinde, wäre damit auch jeder Verdacht aus der Welt geschafft ?
An jenem letzten Morgen im Beta-Camp, bevor sie mit den anderen aufbrach, um nach Takagishi zu suchen, hatte Nicole alle Aufzeichnungen aus ihrem Taschencomputer in Rama durch das Übertragungssystem auf den Desk in ihrer Kabine in der Newton überspielt. Damals hatte sie den Datentransfer gemacht, um zusätzliche Speicherkapazität, falls nötig, unterwegs zu haben. Aber es ist alles festgehalten, falls ein intelligenter Detektiv sich irgendwann mal die Mühe macht, danach zu suchen - die Medikamente, Davids Blutdruck, sogar eine versteckte Bemerkung über die Abtreibung... und - natürlich - auch die Erklärung, die Richard für den Funktionsfehler des RoSur bei der Operation
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