Rendezvous mit Übermorgen
lieber ist, deduzieren Sie logisch: Wieso sollte es hier drei Plazas, aber nur zwei unterirdische Höhlensysteme geben? Sie selbst sagten doch, die Ramaner folgten stets einem vernünftigen Plan.«
Sie standen vor einem Dodekaeder an der Stirnseite der östlichen Plaza. »Was anderes«, knurrte Richard in sich hinein, »welchem Zweck dienen diese verdammten Polyeder? In jedem Sektor steht eins, und die drei größten sind auf den Plazas ... Moment mal!« Sein Blick wanderte von einer der zwölf Flächen des Dodekaeders zu einem gegenüber befindlichen Wolkenkratzer. Dann drehte er rasch den Kopf und überblickte die ganze Plaza. »War das möglich?« Er gab sich selbst Antwort: »Nein - das wäre unmöglich.«
Er sah Nicoles fragenden Blick. »Mir kam da grad ein Gedanke«, sagte er aufgeregt. »Ist vielleicht kompletter Unsinn und abwegig ... Aber erinnern Sie sich an diesen Dr. Bardolini und seine progressiven Matrizen? Mit den Delphinen? - Wenn nun die Ramaner hier in New York ebenfalls subtil differierende Muster hinterlassen hätten, die von einer Plaza zur anderen, einer Sektion zur nächsten variieren ? - Wirklich, das klingt doch auch nicht verrückter als Ihre Visionen!«
Und schon lag Richard auf den Knien und war in seine Messblätter von New York vertieft. »Dürfte ich Ihren Computer mitbenutzen?«, fragte er einige Minuten später. »Dann geht es rascher.«
Dann hockte er stundenlang an den zwei Computern, brummte beständig vor sich hin und versuchte, das Puzzle New York zu enträtseln. Als er auf Nicoles Drängen hin eine Pause einlegte, um etwas zu essen, erklärte er ihr, die genaue Ortsbestimmung des dritten Eingangs in die Unterwelt sei nur möglich, wenn er die geometrischen Beziehungen zwischen den »Polyhedra«, den drei Plazas und sämtlichen Wolkenkratzern exakt verstünde, die den Hauptflächen der Polyeder in sämtlichen neun Sektoren genau gegenüber lagen. Zwei Stunden vor Einbruch der Dunkelheit stürzte er in einen benachbarten Sektor, um Daten zu erfassen, die sie bisher noch nicht in der Computerkartographie hatten.
Auch nach Einbruch der Dunkelheit ruhte er nicht. Nicole schlief den ersten Teil der fünfzehnstündigen Nacht durch. Als sie fünf Stunden später aufwachte, arbeitete Richard immer noch fieberhaft an seinem Projekt. Er hörte es nicht einmal, als Nicole sich räusperte. Sie stand leise auf und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Richard, Sie müssen schlafen«, sagte sie leise.
»Ich hab's beinahe«, sagte er. Als er sich ihr zuwandte, sah sie die dunklen Ringe um seine Augen. »Ich brauche höchstens noch eine Stunde.«
Nicole ging zu ihrem Schlafsack zurück. Als Richard sie später weckte, fieberte er vor Begeisterung. »Wie ich es mir gedacht hab!«, sagte er grinsend. »Es gibt drei mögliche Lösungen, von denen jede zu sämtlichen Mustern passt.« Dann war er fast eine Minute lang still. »Könnten wir nicht jetzt gleich nachschauen?«, bat er dann drängelnd. »Ich glaub nicht, dass ich schlafen kann, bevor ich sicher bin.«
Keine der drei möglichen Stellen, die Richard für die dritte unterirdische Höhle errechnet hatte, befand sich in Plazanähe. Der erste Punkt lag mehr als einen Kilometer entfernt am Rand von New York, dem Nordhemizylinder gegenüber. Sie entdeckten dort nichts. Dann wanderten sie wieder eine Viertelstunde lang durch die Dunkelheit zur zweiten möglichen Stelle, die sehr nahe der südöstlichen Ecke der City lag. Sie gingen die errechnete Straße hinab und fanden den Schachtdeckel an genau der von Richard vorhergesagten Stelle. »Halleluja!«, jubelte er und rollte seinen Schlafsack neben dem Deckel aus.
»Ein dreifaches Hurra auf die Mathematik!«
Hurra für Omeh, dachte Nicole. Sie war überhaupt nicht mehr müde, aber es drängte sie nicht besonders, allein irgendein neues Gebiet mitten in der Nacht zu erforschen. Was kommt zuerst?, überlegte sie, als sie da wach in ihrem Schlafsack lag, Intuitives Wissen oder Mathematik? Benutzen wir Modelle, die uns bei der Wahrheitsfindung helfen sollen ? Oder wissen wir die Wahrheit von Anfang an und entwickeln uns dann das logische mathematische Schema, um die Wahrheit zu erklären ?
Bei Tagesanbruch waren beide hellwach. »Die Tage werden noch immer langsam kürzer«, bemerkte Richard. »Aber die Gesamtsumme von Tag und Nacht beträgt noch immer konstant 46 Stunden, 4 Minuten und 14 Sekunden.«
»Und wie viel Zeit bleibt, bevor wir die Erde erreichen?«, fragte Nicole, während
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