Rendezvous mit Übermorgen
sichergestellt ist, dass diese Sonden auch wirklich an die richtigen ihnen zugewiesenen Stellen wandern? Und - was viel wichtiger ist - was geschieht, wenn und falls eine davon nicht richtig funktioniert?«
»Aber sicher kann ich das, Michael«, antwortete sie freundlich. »Bitte bedenken Sie doch, dass auch ich diese Implantate in mir haben werde, und natürlich habe ich mir die gleichen Fragen gestellt, sie mir stellen müssen.« Nicole des Jardins war Mitte dreißig. Ihre Haut war kupferbraun und glänzte, die Augen dunkelbraun, mandelförmig, das Haar jettschwarz und schimmernd. Sie strahlte eine nicht zu übersehende Selbstsicherheit aus, die von manchen manchmal als Arroganz missdeutet wurde. »Sie werden heute nicht aus dem Kliniktrakt gehen, ehe wir nicht absolut sicher sind, dass sämtliche Sonden exakt an Ort und Stelle sind«, sprach sie weiter. »Wenn wir die jüngsten Auswertungen zugrunde legen, könnte sich bei dem einen oder anderen unter Ihnen eine Spurabweichung des Monitors einstellen. Aber das lässt sich natürlich leicht vermittels der Laborinstrumente aufspüren, um dann die nötigen Override-Instruktionen zur Korrektur und exakten Platzierung zu geben. Und was das Funktionsversagen betrifft, so gibt es da mehrere Stufen von Präventivsicherung. Erstens überprüft jeder spezielle Monitor seinen Sensorenset mindestens zwanzigmal täglich. Jedes Instrument, das bei diesen Tests versagt, wird sofort von der Leitsoftware im eigenen Monitor abgeschaltet. Zusätzlich werden sämtliche Sondenpacks zweimal täglich einem rigorosen umfassenden Selbsttest unterzogen. Ein Versagen bei einem derartigen Autocheck stellt einen der vielen Fehlfunktionsanlässe dar, die den Monitor zur Abgabe von die Selbstauflösung bewirkenden Chemikalien anregen, was dann zur unschädlichen Absorption in den Wirtskörper führt. Und bevor Sie sich unnötigerweise Sorgen machen: Wir haben sämtliche derartigen Fehlverläufe im letzten Jahr an Testpersonen verifiziert.«
Nicole schaute ihren Kollegen im Publikum fest und ruhig in die Augen. »Noch Fragen?«, sagte sie. Nach ein paar Atemzügen sprach sie zögernd weiter: »Also, dann brauche ich jetzt einen Freiwilligen, der sich hier zu unserer Robotschwester heranwagt und sich impfen lässt. Ich persönlich habe meinen Sondensatz letzte Woche verpasst bekommen, und er wurde gecheckt. Also - wer ist der Nächste?«
Francesca erhob sich.» Va bene, also beginnen wir mit la bellabella Signora Sabatini.« Nicole gab dem TV-Team ein Handzeichen. »Konzentrieren Sie doch mal Ihre Kameras auf die Leitersimulation. Es macht sich optisch ziemlich gut, wenn die elektronischen Krabbeltierchen durch den Blutkreislauf schwänzeln.«
9 Diastolenstörung
Durch das Fenster konnte Nicole im schräg einfallenden Dezemberlicht kaum die sibirische Schneelandschaft ausmachen, die über fünfzigtausend Fuß unter ihr lag. Die Überschallmaschine wurde langsamer, als sie nach Süden, auf Wladiwostok und die Japanischen Inseln schwenkte. Nach nur drei Stunden Schlaf, dachte Nicole und gähnte, wird es den ganzen Tag Mühe kosten, mich wachzuhalten. In Japan war es fast zehn Uhr früh, daheim in Beauvois im Loire-Tal nicht weit von Tours konnte ihre Tochter Genevieve noch vier Stunden bis zum Weckerklingeln um sieben Uhr weiterschlafen.
Der Videomonitor im Sitz vor ihr schaltete sich automatisch an und erinnerte sie, dass es nur noch fünfzehn Minuten bis zur Landung im Kansai Transportation Center sei. Die bezaubernde junge Japanerin auf dem Bildschirm gab zu verstehen, jetzt biete sich eine hervorragende Gelegenheit, die Arrangements für Beförderung und Unterbringung nach der Landung zu buchen oder zu bestätigen. Nicole aktivierte das Communication System an ihrem Platz, und ein dünnes rechteckiges Tablett mit Keyboard und kleinem Display-Feld glitt heraus. Nach knapp einer Minute hatte Nicole sowohl die Zugreise nach Kyoto wie auch die Fahrt von dort im Elektrobus zu ihrem Hotel gebucht. Sie benutzte ihre Universal Credit Card, um alle diese Transaktionen zu bezahlen, natürlich nachdem sie sich korrekt ausgewiesen hatte, indem sie angab, der Geburtsname ihrer Mutter sei Anawi Tiasso. Daraufhin glitt aus einer Kante des Tabletts ein schmaler Ausdruck mit ihren Bahn- und Bustickets und den Vermerken der Ankunfts- und Transitzeiten: Sie sollte um 11:14 morgens (Japanzeit) in ihrem Hotel eintreffen.
Als die Maschine zur Landung ansetzte, überdachte Nicole noch einmal den Grund für
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