Rendezvous mit Übermorgen
später enthüllte Nicoles Video-Monitor das melancholische Gesicht des Dr. Shigeru Takagishi. »Madame des Jardins«, begann er höflich, »ich habe erfahren, dass Sie mit meinem Kollegen Hakamatsu-san über die biometrischen Werte gesprochen haben, die sich bei mir während der Simulationen ergaben. Würden Sie die Freundlichkeit besitzen, mir zu sagen, was Sie gefunden haben?«
Nicole hatte daraufhin ihrem Kosmonautenkollegen alles eröffnet, was sie an Information besaß, ohne etwas zu verheimlichen, und ihre persönliche Überzeugung geäußert, dass der Ursprung der fehlerhaften Daten wohl doch in einem Funktionsdefekt der Sonde zu suchen sei.
Es folgte ein langes Schweigen. Schließlich sprach der Japaner besorgt weiter. »Hakamatsu-san hat mich soeben hier in der Universität aufgesucht und die mir implantierte Sonde überprüft. Er besteht darauf, dass er in der Elektronik keinen Fehler findet.« Wieder schwieg Takagishi, anscheinend tief in Gedanken versunken. Nach ein paar Augenblicken sprach er weiter: »Madame des Jardins, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Es handelt sich um eine Sache von höchster Wichtigkeit für mich persönlich. Wäre es Ihnen irgend möglich, mich in allernächster Zukunft in Japan zu treffen? Ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen und Ihnen etwas erklären, das vielleicht in einem Zusammenhang steht mit meinen irregulären Biometriewerten.«
Takagishis Gesicht hatte einen so ernsten Ausdruck, dass Nicole ihn weder zu ignorieren noch fehl zu deuten vermochte. Es war eindeutig, der Mann flehte sie an, ihm zu helfen. Ohne eine weitere Frage erklärte sie sich bereit, sogleich zu ihm zu kommen. Ein paar Minuten später hatte sie die Platzreservierung für einen Nachtflug in einem Überschalljet von Paris nach Osaka.
»Im Großen Krieg mit Amerika fielen hier keine Bomben«, sagte Takagishis und schwenkte den Arm über die Innenstadt von Kyoto, die sich unter ihnen erstreckte, »und es gab auch fast keine Zerstörungen, als 2141 die Banden für sieben Monate hier herrschten. Ich gestehe, dass ich voreingenommen bin«, er lächelte, »doch für mich ist Kyoto die schönste Stadt auf der Erde.«
»Viele meiner Landsleute meinen das Gleiche von Paris«, antwortete Nicole. Sie kroch tiefer in ihren Mantel. Die Luft war kalt und feucht. Sie sah aus, als werde es gleich zu schneien beginnen. Sie überlegte, wann ihr Begleiter sich dazu entschließen würde, zur Sache zu kommen. Schließlich war sie ja nicht fünftausend Meilen weit geflogen, um in Kyoto eine Stadtbesichtigung zu machen, auch wenn sie zugeben musste, dass der Kiyomizu-Tempel inmitten seiner Bäume auf einem Hügel über der Stadt zweifellos ein grandioser Aussichtspunkt war.
»Trinken wir Tee«, sagte Takagishi. Er führte sie zu einem der offenen Teehäuser, die um den Zentralbau des alten buddhistischen Tempels lagen. Nicole unterdrückte ein Gähnen. Und jetzt wird er mir sagen, was das alles soll . Takagishi hatte sie bei ihrer Ankunft im Hotel bereits erwartet. Er schlug ihr ein leichtes Mittagessen vor und dass sie sich ein wenig hinlege und ausruhe, ehe er sich wieder bei ihr melden wollte. Und als er sie dann um drei Uhr abgeholt hatte, waren sie direkt zu diesem Tempel gefahren.
Er goss den schaumigen japanischen Tee in zwei Schalen und wartete, bis Nicole davon genippt hatte. Die heiße Flüssigkeit war angenehm warm im Mund, auch wenn sie den bitteren Geschmack nicht besonders schätzte. »Madame«, begann Takagishi, »Sie fragen sich zweifellos, warum ich Sie so überstürzt ersucht habe, die weite Reise bis hierher nach Japan zu unternehmen. Aber sehen Sie...«, er sprach langsam, doch sehr eindringlich, »mein Leben lang träume ich davon, dass vielleicht zu meinen Lebzeiten noch einmal ein weiteres Raumschiff wie Rama auftaucht. Während meines Universitätsstudiums und in den vielen Jahren als Forscher habe ich mich nur auf ein einziges Ereignis vorbereitet - die Wiederkehr der Ramaner. Als mich Alastair Moore damals an jenem Märzmorgen im Jahr 2197 anrief und mir sagte, die jüngsten Bilder von Excalibur deuteten darauf hin, dass wir wieder außerirdischen Besuch bekämen, da weinte ich fast vor Freude. Mir war sofort klar, dass die ISA dem Raumschiff eine Mission entgegen senden würde. Und ich war fest entschlossen, an dieser Mission teilzunehmen.«
Takagishi trank einen Schluck Tee, dann blickte er nach links, weit über die sorgfältig gestutzten grünen Bäume und die Hänge
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