Rendezvous mit Übermorgen
erste Rama-Expedition vor siebzig Jahren galt (und außerdem der Verfasser des Rama-Atlas war, einer Pflichtlektüre für alle im Team), saß in der Mitte des Ovals zwischen der sowjetischen Pilotin Irina Turgenjew und Kosmonaut/ Elektronikingenieur Richard Wakefield aus England. Ihnen gegenüber saßen die Biowissenschaftlerin, Offizier Nicole des Jardins, eine stattliche kupferbraune Frau französisch-afrikanischer Abstammung, der ruhige, beinahe wie ein Automat wirkende japanische Pilot Yamanaka und die umwerfende Signora Sabatini. Die restlichen drei Positionen am »südlichen« Ende des Ovals, gegenüber den großen Landkarten und Diagrammen von Rama an der anderen Wand, hatten der amerikanische Journalist Wilson, der redselige Tabori (ein sowjetischer Kosmonaut aus Budapest) und Dr. David Brown inne. Brown wirkte sehr ernst und sachlich. Als die Besprechung begann, lag auf dem Tisch vor ihm eine Reihe von Dokumenten.
»Es ist mir unbegreiflich«, sagte Borzow, während er zielbewusst durch den Raum stapfte, »wie einer von euch jemals auch nur für einen Augenblick! - vergessen konnte, dass man euch ausgewählt hat für eine Mission, die das wichtigste Unternehmen aller Zeiten für die Menschheit sein könnte. Doch angesichts dieser jüngsten Simulationsergebnisse, ich gestehe es, kommen mir da doch bei einigen unter euch gewisse Zweifel.«
»Es gibt da welche, die glauben, dass dieses Rama-Schiff eine Kopie seines Vorgängers sein wird«, fuhr Borzow fort, »und dass es sich für irgendwelche unbedeutende Kreaturen, die es untersuchen wollen, genauso wenig kümmern und interessieren wird. Ich gebe zu, dem Anschein nach hat das neue Objekt die gleichen Ausmaße und die gleiche Gestalt, wenn wir die Radarauswertungen der letzten drei Jahre zugrunde legen. Aber selbst falls es sich herausstellen sollte, dass es sich wieder nur um ein Totenschiff handelt, das von Außerirdischen gebaut wurde, die seit Tausenden von Jahren verschwunden sind, unsere Mission bleibt trotzdem die wichtigste Aufgabe unseres Lebens. Und ich glaube, das erfordert allerhöchste Bemühung, von jedem einzelnen unter euch.«
Borzow legte eine Pause ein, um sich zu sammeln. Janos Tabori setzte zu einer Frage an, doch der General fuhr bereits in seinem Monolog fort. »Was sich unsere Mannschaft bei dieser letzten Trainingsübung geleistet hat, war absolut grauenhaft. Einige haben Hervorragendes geleistet - und ihr wisst, wer damit gemeint ist -, aber ebenso viele andere unter euch haben sich verhalten, als hätten sie nicht die geringste Vorstellung davon, worum es bei dieser Mission geht. Ich bin überzeugt, zwei, drei unter euch lesen vor dem Training nicht einmal den relevanten Aufgabenplan oder die Protokolle durch. Ich gebe zu, manchmal ist das eine langweilige Lektüre, aber ihr alle habt euch verpflichtet , als ihr vor zehn Monaten eure Ernennung akzeptiert habt, euch die Verfahrensabläufe zu eigen zu machen und euch an das Protokoll und die Projektpläne zu halten. Sogar die unter euch ohne vorherige Flugerfahrung.«
Borzow war vor einer der großen Wandkarten stehen geblieben, einem Detailinset eines Stücks der Stadt »New York« aus dem ersten ramanischen Raumschiff. Die Zone mit den hohen schlanken Gebäuden, die an die Wolkenkratzer Manhattans erinnerten, dicht zusammengedrängt auf einer Insel in der Mitte des Zylindrischen Meeres, war beim ersten Rendezvous teil-kartographiert worden. »In sechs Wochen werden wir einem unbekannten Raumschiff begegnen, das möglicherweise eine Stadt wie die hier enthält, und die gesamte Menschheit erwartet von uns, dass wir sie vertreten. Wir können nicht wissen, was uns erwartet. Vielleicht sind alle Vorbereitungen, die wir bis zu dem Zeitpunkt getroffen haben, ungenügend. Aber die Kenntnis und Beherrschung unserer vorgeplanten Verfahren muss perfekt sein und automatisch, damit unsere Gehirne ungehindert alle neuen Bedingungen abwägen können, mit denen wir vielleicht konfrontiert werden.«
Der Kommandant setzte sich auf seinen Platz am Kopfende des Tischs. »Die Übung heute war eine nahezu komplette Katastrophe. Wir hätten dabei leicht drei Besatzungsmitglieder verlieren können, und außerdem noch einen der teuersten Hubschrauber, die je gebaut wurden. Ich möchte euch hier und heute noch einmal daran erinnern, welche Prioritäten übereinstimmend für diese Mission von der ISA und dem CG festgelegt wurden. Höchste Priorität hat die Sicherheit der Besatzung. Als Nächstes kommt
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