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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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weiß. Das zweite System sollte nicht so schwer werden. Wenn wir alle gut zusammenarbeiten, müssten wir spätestens gegen 19:00 fertig sein damit.«
    »Ich werde mit dem Lager fertig sein, wenn Sie am Gipfel ankommen«, bemerkte Janos. »Glauben Sie immer noch, dass wir heute Nacht hier unten bleiben?«
    »Das hätte wohl wenig Zweck«, sagte die Stimme von David Brown von oben. Er oder Takagishi hatten den ganzen Tag über sämtliche Kommunikationen zwischen den Kosmonauten mitgehört. »Die Rover sind noch nicht einsatzbereit. Wir hatten damit gerechnet, dass wir morgen ein paar Explorationen vornehmen würden.«
    »Wenn wir alle ein paar Subsystemteile runterbringen«, entgegnete Wakefield, »dann könnten Janos und ich heut Nacht noch einen Rover zusammenbauen, ehe wir schlafen. Und der zweite Rover könnte vielleicht morgen Vormittag einsatzbereit sein, wenn wir auf keine Schwierigkeiten stoßen.«
    »Das ist ein denkbares Szenario«, gab Dr. Brown zurück. »Wir wollen abwarten und feststellen, wie weit wir gekommen sind und wie müde wir sind - sagen wir: in drei Stunden.«
    Richard stieg in sein Stühlchen und wartete, dass der automatische Belastungsalgorithmus im Prozessor den Sessel ans Kabel anschloss. »Ach übrigens«, sagte er, als er zu steigen begann, »dicken Dank, Janos, für die gute Laune heute. Ohne die Witze hätte ich es womöglich nicht durchgestanden.«
    Janos lächelte und winkte seinem Freund zu. Beim Blick nach oben konnte Richard den Lichtschein von Francescas Stirnlampe kaum noch ausmachen. Sie ist schon über hundert Stock über mit; dachte er. Aber das sind höchstens zweieinhalb Prozent der Entfernung von hier bis zur Nabe! Das Ding hier ist gigantisch.
    Er griff in die Tasche und zog den tragbaren meteorologischen Messsender hervor, den mitzunehmen Takagishi ihn gebeten hatte. Der Professor wollte ein genaues Profil sämtlicher atmosphärischer Parameter in der nordpolaren Ramarundung erstellt haben. Für seine Zirkulationsmodelle von besonderer Wichtigkeit waren Messungen der Dichte und Temperatur der Luft in Relation zur Entfernung von der Luftschleuse.
    Wakefield verfolgte die Druckangaben, die mit 1.05 bar begannen, unter die Erdnorm sanken und stetig immer weiter abfielen. Die Temperatur hielt sich stetig bei minus 8° Celsius. Richard lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ein absonderliches Gefühl war das - in einem Körbchen nach oben getragen zu werden, immer weiter aufwärts ... in die Finsternis. Er dämpfte die Lautstärke eines Kanals in seinem Comm-Pak; es gab nur eine fortlaufende Kommunikation, die zwischen Yamanaka und der Turgenjew, und die beiden hatten sowieso nie viel Bedeutendes zu sagen. Er erhöhte die Lautstärke der im Hintergrund auf einem anderen Kanal laufenden »Pastorale« von Beethoven.
    Es überraschte ihn fast, dass seine inneren Visionen von rieselnden Bächen und Blumen und grünenden Wiesen auf der Erde in ihm ein solch starkes Heimwehgefühl auslösten. Er konnte irgendwie kaum die ganze wundersame Verkettung von Umständen ausloten, die ihn aus dem Haus seiner Knabenjahre in Stratford nach Cambridge, dann an die Space Academy in Colorado und schließlich hierher, ins Innere von Rama, geführt hatte, wo er jetzt in einem Sessellift saß und in Finsternis neben der »Treppe der Götter« emporgetragen wurde.
    Nein, teurer Prospero, sagte er zu sich, kein Zauberer hätte sich je so einen Ort ausdenken können. Er erinnerte sich, wie er als Junge seine erste Aufführung des Sturms erlebt hatte, und wie entsetzt war er damals von der Darstellung einer Welt gewesen, deren Rätsel und Geheimnisse normales menschliches Begriffsvermögen zu übersteigen schienen. Damals hatte er sich gesagt: Es gibt
    nichts Magisches ... es gibt nur natürliche Zusammenhänge, die wir uns noch nicht erklären können. Richard lächelte in sich hinein: Shakespeares Prospero - das war kein Magier ... bloß ein frustrierter Wissenschaftler.
    Und eine Sekunde danach erlebte Richard Wakefield verblüfft das erstaunlichste Schauspiel seines Lebens. Während er in seinem Schalensesselchen lautlos aufwärts schwebte, brach in Rama der Morgen an. Drei Kilometer unterhalb von Richard explodierten die in die Zentralebene geschnittenen langen schnurgeraden Täler vom Rand der Polschüssel zur Zylindersee hin plötzlich von Helligkeit. Ramas sechs Linearsonnen, drei für jeden Halbzylinder, erzeugten in dieser fremden Welt eine sorgsam geplante, ausgewogene Helligkeit. Als

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