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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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hinzu.
    »Könnten wir in Ihren Raum gehen?«, fragte sie.
    »Ich wusst' es doch, ich hab es stets geahnt«, sagte er, wirbelte herum und glitt rasch auf seine Kabinentür zu. »Endlich, endlich geschieht es, genau wie in meinen Träumen ... ein weises, wunderschönes Weib will ewigliche Minne mir erklären ...«
    Nicole vermochte ein Kichern nicht zu unterdrücken. »Wakefield«, unterbrach sie ihn, immer noch breit grinsend, »Sie sind unverbesserlich. Können Sie denn niemals ernst sein? Ich muss über etwas Wichtiges mit Ihnen reden.«
    »Ach, verflixt!« Richard stöhnte dramatisch. »Wichtige Dinge ... in dem Fall werde ich Sie leider auf zwei Minuten beschränken müssen, die ich Ihnen vorhin eingeräumt habe. Denn wichtige Dinge machen mich gleichfalls sehr hungrig ... und übellaunig.«
    Er öffnete ihr die Tür und ließ sie vorausgehen. Er bot ihr den Sessel vor seinem Computermonitor an und setzte sich hinter ihr aufs Bett. Sie drehte sich zu ihm herum. Auf dem Bord über dem Bett befanden sich eine Hand voll ähnlicher kleiner Figurinen, wie Nicole sie in Taboris Zimmer und dann bei Borzows Bankett gesehen hatte.
    »Gestatten Sie, dass ich Sie einigen Persönlichkeiten meiner Menagerie vorstelle«, sagte Richard, der ihre Neugier bemerkt hatte. »Lord und Lady Macbeth haben Sie bereits kennen gelernt. Puck und Zettel ebenfalls. Dies wohlgestalte Feindes-paar sind Tybalt und Mercutio aus Romeo undJulia. Daneben das andre Paar, Jago und Othello, gefolgt von Prinz Hai, Falstaff und der wundervollen Mistress Quickly. Ganz rechts außen steht mein engster Busenfreund, The Bard persönlich, kurz >TB< genannt.«
    Unter Nicoles interessiertem Blick bediente Richard einen Schalter am Kopfende seiner Koje, und Shakespeare-TB kam über eine Leiter vom Bord zum Bett herabgeklettert. Der zwanzig Zentimeter große Roboter bewältigte geschickt die Falten der Bettauflage und näherte sich grüßend Nicole.
    »Und was war dann Euer Name, holde Dame?«, fragte TB.
    »Ich bin Nicole des Jardins«, antwortete sie.
    »Das klingt nach Frankreich«, sagte der Roboter sofort.
    »Jedoch, Ihr seht nicht recht französisch aus. Zumindest nicht wie eine von den Valois.« Der Roboter schien Nicole aufmerksam anzublicken. »Mich deucht, Ihr sehet eher aus, als wärt ein Kind Ihr von Othello und Desdemona.«
    Nicole war verblüfft. »Wie haben Sie das gemacht?« »Ich erklär es Ihnen später.« Richard wehrte mit einer Handbewegung ab. »Haben Sie eins von den Shakespeare-Sonetten
    besonders gern?«, fragte er dann. »Wenn ja, sprechen Sie eine Zeile daraus, oder geben Sie TB die Ziffer an.«
    »Full many a glorious morning. ..«, begann Nicole.
    »... havel seen«, fuhr der Roboter fort.
    ( Wie manchen stolzen Morgen sah ich schon)
    »Flatter the Mountain tops with sovereign eye,
    ( Mit Herrscherblick der Berge Häupter grüßen:)
    Kissing with golden face the meadows green,
    ( Sein goldnes Antlitz küßt den bleichen Strom,)
    Gildingpale streams with heavenly alchemy ...«
    ( Mit Himmelsalchemie vergoldet er die Wiesen.)
    Das Roboterchen rezitierte das Gedicht mit lebhaften Arm- und Kopfbewegungen und stark wechselndem Gesichtsausdruck. Nicole war erneut tief von Richard Wakefields kreativem Genie beeindruckt. Die vier Schlüsselzeilen des Sonetts kamen ihr aus ihren Universitätstagen wieder ins Gedächtnis, und sie murmelte leise mit, während TB sprach:
    »Even so my sun one early morn did shine,
    ( So fiel von meiner Sonn’ auch nur ein früher Schein)
    With all-triumphant splendour on my brow;
    ( Mit allem Siegesglanz mir auf die Brauen:)
    But out, alack!, he was but one hour mine,
    ( Doch ach! er war nur eine Stunde mein;)
    The region cloud hath masked him from me now.. .«
    (Nun birgt mir ihn der Heimatnebel Grauen.)
    Als der Roboter das Schlusscouplet gesprochen hatte, war Nicole von den fast vergessenen Worten so bewegt, dass sie zu ihrer Verblüffung applaudierte. »Und er kann die ganzen Sonette rezitieren?«, fragte sie.
    Richard nickte. »Alle hundertvierundfünfzig, und dazu viele, viele der stark poetischen Monologe aus den Dramen. Aber das ist nicht seine hervorstechendste Fähigkeit. Shakespeare-Texte zu behalten, dazu ist nur eine gute Speicherkapazität nötig. Aber TB ist außerdem noch ein sehr intelligenter Roboter. Er kann besser Konversation machen als ...«
    Richard unterbrach mitten im Satz. »Verzeihen Sie, Nicole. Ich monopolisiere unsere Zeit. Sie sagten, Sie müssten etwas Wichtiges

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