Rendezvous
ernst, als sie besorgt ihre Stiefmutter ansah. »Du darfst nicht glauben, dass er noch wütend auf dich ist.«
»Ich verstehe.« Augusta lächelte wider Willen. »Ich werde es mir gut merken.«
»Unsere Gäste treffen in drei Tagen ein, nicht wahr?« fragte Meredith, und ihr ernster Blick verriet eine Spur von echter Aufregung.
»Ja, ganz bestimmt. Und Miss Appley wird zweifellos heute Nachmittag für die letzte Anprobe deiner neuen Kleider vorbeikommen. Erinnere deine Tante noch einmal daran, dass der Unterricht heute eher aufhören muss Wir werden alle drei Zeit für die Näherin aufbringen müssen.«
»Ja, wird gemacht, Augusta.« Meredith stand vom Tisch auf und eilte in ihr Schulzimmer.
Als sie allein im Frühstückszimmer saß, trank Augusta schweigend ihren Kaffee. Sie sah die Briefe durch, die schon am frühen Morgen eingetroffen waren, und dann las sie eine der Zeitungen aus London, die mit der Post gekommen waren.
Als sie sie ausgelesen hatte, sprach sie sich mit dem Butler und der Haushälterin über die Notwendigkeit ab, zusätzliche Bedienstete für die Party zu engagieren.
Die Tür zur Bibliothek blieb den ganzen Morgen über geschlossen. Augustas Blicke wurden jedesmal, wenn sie unten durch die Eingangshalle lief, magnetisch davon angezogen. Das fortwährende Schweigen, dass aus Harrys Privatgemach drang, wurde unerträglich. Sie konnte es beim besten Willen nicht unterlassen, Spekulationen dazu anzustellen, welche Schlüsse über Richard er wohl aus dem grässlichen Gedicht ziehen mochte.
Als Augusta es einfach nicht mehr aushielt, befahl sie, ihre Stute satteln und vorführen zu lassen. Dann ging sie nach oben, um ihr Reitkostüm anzuziehen. Als sie in die Eingangshalle zurückkehrte, bedachte der Butler sie mit einem besorgten Blick.
»Es scheint, als könnte am späten Nachmittag mit Regen zu rechnen sein, Madam.«
»Ja, das ist gut möglich.« Augusta lächelte matt. »Machen Sie sich keine Sorgen, Steeples. Ein wenig Regen wird mir schon nicht schaden.«
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie keinen Stallknecht als Begleitung wünschen, Madam?« Steeples' langes, mürrisches Gesicht war zu einem Ausdruck tiefer Sorge verzogen. »Ich weiß, dass es seiner Lordschaft zweifellos lieber wäre, wenn Sie in Begleitung ausritten.«
»Nein, ich will keinen Stallknecht bei mir haben. Wir sind hier auf dem Land, Steeples. Hier brauchen uns die Probleme keine Sorgen zu bereiten, die eine Frau in der Stadt bekommen könnte, wenn sie allein ausreitet. Falls jemand danach fragen sollte, könnten Sie sagen, dass ich am späten Nachmittag zurückkomme.«
Steeples neigte den Kopf steif und missbilligend »Wie Sie wünschen, Madam.«
Augusta seufzte, als sie die Stufen hinunterlief und auf ihr Pferd stieg. Hier in Graystone war selbst der Butler schwer zufriedenzustellen.
Sie ritt fast eine Stunde lang unter dem unheilverkündenden Himmel und spürte, wie ihre Stimmung sich ein wenig hob. Es war unmöglich, angesichts eines Sturms, der sich zusammenbraute, melancholisch zu bleiben, beschloss Augusta. Sie hielt das Gesicht in die frische, beißende Brise und spürte die ersten Regentropfen. Das erfrischte und belebte sie, wie es nichts anderes an diesem trostlosen Tag hätte bewirken können.
Trotz reichlicher Vorwarnung überraschte das erste Donnergrollen Augusta. Sie wusste, dass es zu spät war, um Graystone zu erreichen, ehe der Sturm losbrach. Als sie in der Ferne eine baufällige Hütte entdeckte, ritt sie sofort darauf zu. Die Hütte stand leer.
In dem kleinen Schuppen hinter dem Häuschen konnte Augusta ihre Stute unterbringen. Dann betrat sie das leere Häuschen, das nur ein Zimmer hatte, und blieb in der offenen Tür stehen, um zu beobachten, wie der Regen über die Landschaft fegte.
Zwanzig Minuten später stand sie immer noch da, als ein Pferd und ein Reiter aus dem Sturmkern auftauchten. Das Klappern der Hufe des Hengstes ging in einem Donnerschlag unter, und ein Blitz zuckte in dem Moment durch den Himmel, in dem das Tier vor der Tür abrupt zum Stehen gebracht wurde.
Harry schaute von seinem Pferd aus finster auf sie herunter. Sein weiter Mantel mit den vielen Lagen Stoff hüllte ihn ein wie ein schwarzer Umhang. Regen tropfte von seiner schwarzen Bibermütze.
»Was, zum Teufel, hast du bei einem Gewitter hier draußen zu suchen, Augusta?« Der Hengst tänzelte nervös, als weitere Blitze in der Ferne zuckten. Harry beschwichtigte das Tier mit einer Hand, die in einem Handschuh
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