Rendezvous
und seiner Tochter gerichtet, die sich bedenklich weit aus der Loge lehnten, um das Geschehen auf der Bühne unten zu beobachten.
In einem Punkt hatte Augusta recht gehabt. Meredith hatte übermäßigen Spaß daran. Harry ging wieder einmal schlagartig auf, wie sehr seine ernsthafte Tochter in diesen allerletzten Wochen aufgeblüht war. Es war, als entdeckte sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Freuden der Kindheit.
Dieser Anblick brachte ihn dazu, etwas zu tun, was er selten tat, nämlich, daran zu zweifeln, ob einer seiner sorgsam durchdachten Entschlüsse klug gewesen war. Harry ging auf, dass der strenge Lehrplan, den er in den letzten Jahren für Meredith ausgearbeitet hatte, möglicherweise etwas zu strikt gehalten war. Vielleicht hatte er ihren Tagesablauf so geplant, dass nicht genug Zeit für Spaß und harmlose Spiele blieb.
Harry beobachtete, wie Meredith vor Erstaunen nach Luft schnappte, als eine junge Dame unten im Ring über eine Hürde sprang, die aus mehreren straff gespannten Tüchern bestand, und unbeschadet auf dem Rücken eines galoppierenden Ponys landete. Es war deutlich zu sehen, dass seine Tochter unter dem neuen Regime aufblühte, dachte er sich kläglich. Er würde sich wirklich glücklich schätzen müssen, wenn sie nicht den Ehrgeiz entwickelte, eine Ballonfahrt zu unternehmen oder sich Astley's Truppe von kühnen Reiterinnen anzuschließen.
Sein Blick schwenkte auf seine Frau, die Meredith gerade erklärte, wer der Bösewicht des Stückes war. Der helle Schein des riesigen Kronleuchters, der mitten über der Bühne hing, betonte den Schimmer von Augustas Haar. Die Worte, die sie letzte Nacht so flehentlich zu ihm gesagt hatte, hallten in seinen Ohren wider. Ich möchte das Gefühl haben, als gehörte ich ...
Er wusste, dass sie immer noch mit dem Gefühl kämpfte, nicht länger einer Familie wie der anzugehören, die sie früher einmal gekannt hatte. Sie war die letzte der Northumberland-Ballingers, und sie hatte sich seit dem Tod ihres Bruders sehr allein gefühlt. Inzwischen verstand er das.
Aber wie konnte es sein, dass Augusta nicht erkannte, wie sehr sie zu einem Bestandteil seiner kleinen Familie geworden war? fragte sich Harry. Sie sah doch gewiss, dass Meredith sie zunehmend mehr brauchte. Es stimmte, das Kind schien bisher noch nicht den Wunsch zu verspüren, Augusta Mutter zu nennen, aber das erschien Harry jetzt nicht mehr ganz so wichtig.
Augustas Hang, sich darüber zu erregen, dass ihr Ehemann nicht auf die Knie sank und ihr ewig währende Liebe schwor, war lachhaft. Ein typisches Beispiel für ihr übertrieben emotionales Naturell. Seiner Auffassung nach hatte Harry seine Zuneigung überreichlich demonstriert. Und sein Vertrauen. Harry zog eine finstere Miene, als er daran dachte, wie übermäßig nachsichtig er sich gegenüber seiner neuen Gräfin erwiesen hatte.
Jeder andere Mann, der mit angesehen hätte, dass seine Frau um Mitternacht durch ein Fenster in sein Haus einstieg, hätte vorausgesetzt, dass er gerade zum Hahnrei gemacht worden war.
Letzte Nacht hätte Augusta um Vergebung bitten und geloben müssen, sich nie wieder auf Abenteuer einzulassen. Statt dessen war sie in Wut geraten und hatte ihren Mann zum Duell herausgefordert.
Diese Frau hatte zu viele Romane gelesen, darin bestand das Problem.
Ich möchte dir so nahe stehen wie Sally und Peter, mit denen dich so viel verbindet.
Selbstverständlich hatte er sie von den Nachforschungen ausgeschlossen, dachte Harry. Nicht nur, weil es ihr an Erfahrung mangelte, was Grund genug war, sondern auch, weil er nicht gewollt hatte, dass sie von weiteren Informationen belastet wurde, die auf die Verbindung ihres Bruders mit dem Fall hinwiesen.
Jetzt fragte sich Harry, ob er ein Recht hatte, Augusta aus dem Fall herauszuhalten. Ob es ihm passte oder nicht, aber sie hatte damit zu tun, da ihr Bruder anscheinend in den Fall verwickelt gewesen war. Vielleicht hatte die letzte der Northumberland-Ballingers ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.
Harry hörte, wie sich die Musik steigerte, als die Vorstellung unter ihnen ihrem Ende zuging. Pferde und Schausteller verbeugten sich etliche Male zu tosendem Applaus.
Meredith redete auf der Rückfahrt zum Haus ununterbrochen. »Papa, glaubst du, ich könnte lernen, so zu reiten, wie es die Dame in Rosa getan hat?«
»Ich glaube nicht, dass sich diese Kunstfertigkeit als besonders nützlich erweisen würde«, sagte Harry, und sein Blick fiel kurz auf Augustas
Weitere Kostenlose Bücher