Rendezvous
er unschuldig war, und du musst dich mit dieser tiefen inneren Gewissheit begnügen.«
Augustas Hand ballte sich auf ihrem Schoß zu einer kleinen Faust. »Es muss eine Möglichkeit geben.«
»Ich habe in solchen Angelegenheiten die Erfahrung gemacht, dass Stillschweigen die beste Lösung ist.«
»Aber das ist nicht fair«, protestierte Augusta.
»Die meisten Dinge im Leben sind nicht fair, meine Liebe. Wenn du gehst, Augusta, würdest du Scruggs auf dem Weg bitten, dass er mir von einem der Mädchen meine Medizin bringen lässt?«
Urplötzlich traten Augustas Probleme in den Hintergrund. Sie wurde von einem tiefen Schmerz gepackt, für den es keine Linderung gab. Sallys Heiltrank wurde aus dem Saft des Mohns gebraut, aus Opium. Der Umstand, dass sie schon so früh am Tag darum bat, bedeutete, dass die Schmerzen schlimmer wurden.
Augusta nahm eine von Sallys zarten Händen in ihre Hand. Sie hielt sie eine Zeitlang ganz fest. Keine der beiden Frauen sagte ein Wort.
Nach einer Weile stand Augusta auf und ging, um Scruggs Bescheid zu geben, damit Sally ihre Medizin bekam.
»Ich sollte ihr den Hintern so fest versohlen, dass sie eine Woche lang auf keinem Pferd sitzen kann. Sie sollte eingesperrt werden, und man sollte sie nicht unbeaufsichtigt vor die Tür lassen. Diese Frau stellt eine Bedrohung dar. Sie wird mir das Leben zur Hölle machen.« Harry pirschte durch Sallys kleine Bibliothek, stellte fest, dass ihm ein Bücherregal den Weg abschnitt, machte kehrt und lief wieder in die andere Richtung zurück.
»Sie wird dein Leben interessant gestalten.« Sally trank ihren Sherry und machte sich nicht die Mühe, ein belustigtes Lächeln zu verbergen. »Um Augusta herum passieren die seltsamsten Dinge ganz von selbst. Ich finde das wirklich ziemlich faszinierend.«
Harry schmetterte die Faust auf den Kaminsims aus grauem Marmor. «Ziemlich ärgerlich und aufreizend, das meinst du doch.«
»Jetzt beruhige dich wieder, Harry. Ich habe dir doch nur von dem Vorfall berichtet, weil du wissen wolltest, was hier vorgeht, und ich habe befürchtet, du könntest anfangen, selbst Nachforschungen anzustellen. Wenn du Nachforschungen anstellst, bekommst du im allgemeinen Antworten. Daher habe ich den Prozess abgekürzt und dir freiwillig die Antworten gegeben.«
»Augusta wird meine Frau. Es ist mein volles Recht zu erfahren, was, zum Teufel, sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Schilde führt, verdammt noch mal!«
»Ja, gut, und jetzt weißt du es, und damit muss Schluss sein. Du wirst dich nicht in diese Angelegenheit einmischen, hast du verstanden? Für Augusta ist das eine Ehrensache, und sie wäre außer sich, wenn du einschreitest und den Fall für sie aus der Welt schaffst.«
»Ehre? Was hat denn Ehre damit zu tun? Sie hat sich mir absichtlich widersetzt und mit Lovejoy geflirtet, und damit hat sie sich in ernstliche Schwierigkeiten gebracht.«
»Augusta ist sich durchaus darüber im klaren, dass sie gewissermaßen leichtsinnig gehandelt hat. Sie braucht keine Strafpredigten von dir. Es geht um Spielschulden, Harry. Sie müssen beglichen werden. Erlaube ihr, es auf ihre Art zu regeln. Du willst doch ihren Stolz nicht verletzen, oder?«
»Dieser Zustand ist unerträglich.« Harry blieb vor seiner alten Freundin stehen und schaute finster auf sie herunter. »Ich kann doch nicht einfach tatenlos dastehen und zusehen. Ich werde mir Lovejoy persönlich vornehmen.«
»Nein.«
»Ein Mann ist für die Schulden seiner Frau verantwortlich«, rief ihr Harry ins Gedächtnis zurück.
»Augusta ist noch nicht deine Frau. Lass sie das selbst regeln. Es sollte sich schnell aus der Welt schaffen lassen, und ich versichere dir, dass sie ihre Lektion gelernt hat.«
»Wenn ich das nur glauben könnte«, murrte Harry. »Dieser verfluchte Lovejoy. Er hat genau gewusst, was er tut.«
Sally dachte kurz darüber nach. »Ja, das glaube ich eigentlich auch. Und Augusta ist mit der Zeit von selbst dahintergekommen. Sie ist kein Dummkopf. Es war kein Zufall, dass er das Thema ihres Bruders angesprochen hat, als sie gerade vom Tisch aufstehen und wieder in den Ballsaal gehen wollte. Wenn es eins gibt, was ihre Aufmerksamkeit garantiert in Anspruch nimmt, dann ist das die Frage von Richard Ballingers Unschuld.«
Harry fuhr sich mit einer zerstreuten Bewegung durch das Haar. »Sie hat ihrem Bruder, diesem Lebemann, anscheinend sehr nahe gestanden.«
»Er war alles, was sie noch hatte, nachdem ihre Eltern bei dem Kutschenunfall
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