Rendezvous
Augusta schüttelte kläglich den Kopf. »Ich fürchte, es ist so oder so zu spät für mich, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Ich bin jetzt besudelt, verstehst du. Ein gefallenes Mädchen. Ich kann nur dankbar dafür sein, dass der Herr, der mir beigestanden hat, die Tugendhaftigkeit zu verlieren, gewillt ist, es durch eine Heirat wiedergutzumachen.«
»Aber du hast auch einen starken Willen, und niemand kann dich zu dieser Eheschließung zwingen...« Claudia unterbrach sich mitten im Satz und starrte sie an. »Ach, du meine Güte. Jetzt merke ich es gerade. Du bist wirklich in Graystone verliebt, stimmt's?«
»Merkt man mir das so schrecklich an?«
»Nur jemand, der dich gut kennt«, versicherte Claudia ihr sanft.
»Das ist allerdings eine Erleichterung. Ich bin keineswegs sicher, dass Graystone eine schmachtende Frau lieb wäre. Wahrscheinlich würde er das als eine große Belastung empfinden.«
»Dann wirst du also dem Ruf deines Familienzweigs gerecht werden, vorschnell und leichtsinnig zu handeln, und du wirst dich Hals über Kopf in diese Ehe stürzen.« Claudia machte einen nachdenklichen Eindruck.
Augusta schenkte sich noch eine Tasse Tee ein. »Eine Zeitlang wird alles ziemlich schwierig werden. Ich wünschte nur, ich müsste nicht in die Fußstapfen einer so tugendhaften und schicklichen Frau treten, wie es meine Vorgängerin anscheinend war. Ich habe Vergleiche dieser Art schon immer ziemlich widerlich gefunden, und in meinem Fall werden diese Vergleiche zwangsläufig angestellt werden.«
Claudia nickte verständnisvoll. »Ja, ich kann mir vorstellen, dass es außerordentlich schwierig für dich wird, den hohen Maßstäben gerecht zu werden, die Graystones erste Frau gesteckt hat. Nach allem, was ich gehört habe, war Catherine Montrose ein Inbegriff weiblicher Tugenden. Aber Graystone wird dir zweifellos in deinen Bemühungen beistehen, dich auf ihr Niveau aufzuschwingen.«
Augusta zuckte zusammen. »Zweifellos.« Eine Zeitlang herrschte Stille in der Bibliothek. »Weißt du, Claudia, was mir im Moment die größte Sorge bereitet, ist, dass ich Sally in den nächsten Wochen nicht besuchen kann. Sie ist wirklich sehr krank, verstehst du. Und ich mag sie so gern. Ich werde mir große Sorgen um ihr Wohlergehen machen.«
»Du weißt ja, dass ich deine Verbindung zu ihr und dem Club, den sie betreibt, nie allzu sehr gebilligt habe«, sagte Claudia bedächtig. »Aber mir ist klar, dass du sie als eine gute Freundin ansiehst. Wenn du willst, werde ich es auf mich nehmen, sie öfters zu besuchen, solange du fort bist. Ich kann Nachrichten weitergeben und dir schreiben, wie es um ihre Verfassung bestellt ist.«
Augusta verspürte ein Gefühl von enormer Erleichterung. »Das tätest du für mich, Claudia?«
Claudia bog die Schultern zurück. »Ich wüsste nicht, warum ich es nicht tun sollte. Vielleicht freut sie sich, wenn ich sie in deiner Abwesenheit gelegentlich besuche. Und dir wäre eine Last von der Seele genommen, wenn du wüsstest, dass ich sie im Auge behalte.«
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie lieb mir das wäre, Claudia. Warum besuchen wir sie nicht heute Nachmittag? Ich kann dich bei ihr einführen.«
»Heute? Aber du bist doch vollauf mit den Vorbereitungen für deine Abreise beschäftigt.«
Augusta lachte. »Die Zeit für diesen Besuch kann ich mir nehmen. Ich möchte ihn mir sogar um keinen Preis auf Erden entgehen lassen. Ich glaube, dir steht eine Überraschung bevor, Claudia. Du weißt ja gar nicht, was du dir hast entgehen lassen.«
Peter Sheldrake bediente sich aus Harrys Bordeauxkaraffe und drehte sich zu seinem Gastgeber um. »Du willst, dass ich mir Lovejoys Werdegang genauer ansehe? Warum, zum Teufel, hältst du das für nötig, Graystone?«
»Das lässt sich schwer erklären. Lass uns einfach sagen, dass ich den Mann nicht leiden kann und dass es mir nicht passt, wie er sich für seine unerfreulichen Spielchen ausgerechnet Augusta ausgesucht hat.«
Peter zuckte die Achseln. »Sie mögen zwar unerfreulich sein, aber wir wissen beide, dass sie nicht ungewöhnlich sind. Männer von Lovejoys Schlag spielen ständig solche Spielchen mit den Damen. Im allgemeinen sind sie lediglich darauf aus, sich damit zu amüsieren, dass sie mit der Frau eines anderen Mannes flirten. Sorg dafür, dass Augusta nicht in seine Reichweite kommt, und ihr kann nichts passieren.«
»Wenn es auch noch so unglaublich erscheint, dann sieht es doch ganz so aus, als hätte meine Verlobte
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