Rendezvous
ihre Lektion gelernt, was Lovejoy angeht. Augusta hat zwar einen Hang zu einem gewissen Leichtsinn, aber sie ist nicht dumm. Sie wird ihm nicht noch einmal vertrauen.« Harry ließ einen Finger über den Rücken eines Buchs gleiten, das auf seinem Schreibtisch lag.
Das Buch, das den Titel Bemerkungen zu Livius' Geschichte Roms trug, war ein schmales Bändchen, das er selbst geschrieben hatte. Es war erst kürzlich veröffentlicht worden, und er war sehr zufrieden damit, obwohl er wusste, dass es niemals die Form von allgemeiner Beliebtheit erlangen würde, mit der die neuesten Romane Waverlys oder ein episches Gedicht von Byron aufgenommen wurden. Augusta würde das Buch zweifellos todlangweilig finden. Harry tröstete sich mit dem Wissen, dass er für einen anderen Leserkreis schrieb.
Peter bedachte Harry mit einem nachdenklichen Blick und trat unruhig ans Fenster. »Wenn du das Gefühl hast, deine Miss Ballinger hätte ihre Lektion gelernt, warum machst du dir dann noch Sorgen?«
»Mein Instinkt sagt mir, dass hinter Lovejoys heimtückischen kleinen Spielchen mehr stecken könnte als nur der Wunsch, mit Augusta zu flirten und sie vielleicht zu verführen. Hinter der gesamten Geschichte steckt eine Form von Berechnung, die mir nicht passt Und als ich ihn aufsuchte, hat er betont darauf angespielt, wie unpassend Augusta als Frau für mich ist.«
»Als hätte er vor, sich an Erpressung zu versuchen. Vielleicht hat er geglaubt, du würdest viel mehr als tausend Pfund für Augustas Schuldschein bezahlen, um die ganze Geschichte zu vertuschen. Du stehst in dem Ruf, reichlich sittenstreng zu sein, wenn ich das einmal so sagen darf.«
»Weshalb solltest du dich zurückhalten und das nicht erwähnen? Augusta wirft mir diesen Umstand bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Kopf.«
Peter grinste. »Ja, das kann ich mir lebhaft vorstellen. Aber noch einmal zurück zu Lovejoy — was hoffst du herauszufinden?«
»Wie ich schon sagte, ich bin nicht sicher. Sieh, was du herausfinden kannst. Niemand scheint allzu viel über ihn zu wissen. Sogar Sally gibt zu, dass der Mann geheimnisumwittert ist.«
»Sally wäre die erste, die etwas über ihn hören würde.« Peter sah sich einen Moment lang versonnen im Raum um. »Vielleicht werde ich sie um Hilfe bei meinen Nachforschungen bitten. Sie wird sich für das Projekt begeistern. Es wird sie an alte Zeiten erinnern.«
»Handele nach deinem eigenen Urteil, aber ermüde sie nicht. Sie hat nur noch sehr wenig Kraft.«
»Das ist mir klar. Aber Sally ist eine Frau, die es vorziehen würde, bis zum letzten Moment jede Minute auszukosten und nicht ihre Kräfte zu schonen, indem sie sich ins Bett legt.«
Harry nickte und schaute aus dem Fenster auf den Garten. »Ich glaube, das siehst du richtig. Also gut. Schau, ob sie noch einmal auf den Geschmack der alten Zeiten kommen will.« Er warf einen scharfen Blick auf seinen Freund. »Ich erwarte selbstverständlich von euch beiden, dass ihr in dieser Angelegenheit außerordentlich diskret vorgeht.«
Peters Miene verzog sich zu einem Ausdruck verletzter Unschuld. »Diskretion zählt zu meinen wenigen Tugenden. Das weißt du doch.« Dann kicherte er verrucht. »Ganz im Gegensatz zu einem gewissen Gentleman, den ich beim Namen nennen könnte und der heute eine Sondergenehmigung einholen muss, weil er eine einzigartige Indiskretion begangen hat, die sich in einer geschlossenen Kutsche abgespielt hat.«
Harrys finstere Miene war eine Warnung. »Wenn dir über die vergangene Nacht auch nur ein Wort herausrutscht, Sheldrake, dann kannst du dich gleich ans Werk machen, deinen eigenen Nachruf zu verfassen.«
»Keine Sorge. Ich kann zu gewissen Themen schweigen wie ein Grab. Ich wünschte, du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen können, als du mit Miss Ballinger aus dieser Kutsche gestiegen bist. Er war unbezahlbar. Absolut unbezahlbar.«
Harry fluchte leise vor sich hin. Jedesmal, wenn er an die letzte Nacht dachte — und er hatte seitdem kaum an etwas anderes gedacht —, war er entgeistert. Er konnte immer noch nicht glauben, dass er sich derart schändlich benommen hatte. Nie war er so sehr seinem eigenen körperlichen Verlangen ausgeliefert gewesen. Und das allerschlimmste war, dass ihm die ganze Geschichte noch nicht einmal leid tat.
Er kostete genüsslich das Wissen aus, dass Augusta ihm jetzt gehörte, wie sie nie einem anderen Mann gehört hatte. Außerdem hatte ihm der Vorfall den Vorwand geliefert, den er gebraucht hatte,
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