Rendezvous
ist, dann mache ich ein Geschäft mit Ihnen«, fuhr Augusta abschließend fort. »Ich werde Meredith montags und mittwochs an den Nachmittagen in Aquarellmalerei und dem Lesen von Romanen unterweisen. So können Sie Zeit dafür verwenden, Ihren Forschungen nachzugehen. Klingt das nicht vernünftig?«
»Äußerst vernünftig, Madam. Äußerst vernünftig. Das ist sehr gütig von Ihnen, wenn ich es so sagen darf. Und dann noch Sir Thomas' Meinung einholen zu können und sich seinen Beistand zu sichern, also wirklich, das geht fast schon zu weit.« Clarissa strengte sich sichtlich an, die Fassung wiederzugewinnen. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, aber ich muss meinen Pflichten wieder nachgehen.«
Die Rocksäume von Clarissas tristem braunen Kleid bewegten sich mit ungewohntem Schwung und neuerwachter Lebhaftigkeit, als sie aus der Ahnengalerie eilte.
Augusta sah ihr nach und lächelte dann gedankenversunken in sich hinein. Clarissa war eine Frau von der Sorte, wie ihr Onkel sie brauchte. Eine Eheschließung zwischen Clarissa und Sir Thomas würde wahrhaft eine Heirat gleichgesinnter Individuen bedeuten. Clarissa würde seine intellektuellen Vorlieben und Neigungen verstehen und mit ihm teilen, und Sir Thomas würde Clarissa ebenso bewunderungswürdig finden, wie Lady Prudence es in seinen Augen gewesen war. Es lohnte sich, sich darüber nähere Gedanken zu machen, beschloss Augusta.
Sie tat diese Vorstellung für den Moment ab und las noch einmal Claudias Brief. Als sie ihn zum zweiten Mal zusammenfaltete, ging ihr auf, dass es an der Zeit war, als die neue Gräfin von Graystone ihr Debüt als Gastgeberin zu planen.
Die Planung von Partys gehörte zu den Dingen, in denen sich die Frauen unter den Northumberland-Ballingers immer glänzend hervorgetan hatten. Zweifellos lag das an der naturgegebenen frivolen Geisteshaltung, die sie hatten, beschloss Augusta. Als letzte ihres Zweiges der Familie würde sie sich anstrengen, diese Familientradition aufrechtzuerhalten.
Sie würde hier auf dem Land ein mehrtägiges Fest veranstalten, bei dem die Gäste im Haus nächtigten, und es würde das spektakulärste gesellschaftliche Ereignis in der Geschichte von Graystone werden.
Mit etwas Glück würden die Vorbereitungen sie von dem Gespräch über ihren Bruder ablenken, das sie am Tag des Picknicks mit Harry geführt hatte. Die Erinnerung an diese unerfreuliche Diskussion nagte immer noch an ihr.
Sie konnte und wollte sich einfach nicht zu dem Glauben durchringen, Richard hätte Geheimnisse an die Franzosen verkauft. Es war undenkbar. Kein Northumberland-Ballinger wäre jemals so tief gesunken.
Und am allerwenigsten ihr verwegener, temperamentvoller und ehrenwerter Bruder Richard.
Es fiel ihr noch schwerer zu glauben, dass Graystone als Geheimagent für die Krone gearbeitet hatte, und weit leichter wäre es ihr gefallen, sich vorzustellen, dass ihr Bruder das getan hatte, dachte Augusta voller Groll. Irgendwie kam einem Harry einfach nicht wie ein Spion vor.
Natürlich war da sein Geschick im Aufbrechen von Schlössern, und er hatte wirklich die äußerst lästige Gewohnheit, immer dann aufzutauchen, wenn man ihn am allerwenigsten erwartete.
Aber dennoch — Harry? Ein gerissener Spion?
Die Sache am Spionieren war, dass es nicht als eine wirklich geziemende Karriere für einen wahren Gentleman angesehen wurde. Die meisten Leute waren der Auffassung, dass dieses Geschäft etwas Ungehöriges und Anrüchiges an sich hatte. Und Harry nahm es pedantisch genau mit der Sittenstrenge.
Augustas Gedanken schlugen abrupt eine andere Richtung ein, als sie daran dachte, wie enorm unsittlich der Earl sich in der Intimsphäre ihrer Schlafzimmer benehmen konnte.
Harry war ein sehr vielschichtiger Mann. Und sie hatte schon, als sie zum ersten Mal in seine kühlen grauen Augen gesehen hatte, gewusst, dass enorme Bereiche seiner Persönlichkeit im Dunkeln verborgen lagen.
Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, konnte Harry tatsächlich ein Agent gewesen sein. Dieser Gedanke löste in Augusta seltsames Unbehagen aus. Sie wollte sich nicht näher mit der Vorstellung auseinandersetzen, dass Harry große Gefahren auf sich nahm. Sie wies diese Möglichkeit weit von sich und begann, eine Liste der Leute zu erstellen, die sie zu ihrer Party einladen würde.
Nachdem sie sich noch ein paar Minuten lang Gedanken über ihre Pläne gemacht hatte, eilte sie los, um ihren Mann zu suchen. Sie fand ihn in der Bibliothek, wie er über
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