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Rendezvous

Rendezvous

Titel: Rendezvous Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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Anfang an falsch angefasst hatte. Er hätte Augusta niemals mit derartigem Nachdruck in die Bibliothek zitieren dürfen. Und er hätte ihr auch nicht befehlen sollen, ihm das Gedicht auszuhändigen. Wenn ihn nicht alle guten Geister verlassen hätten, wäre er ganz anders mit der Situation umgegangen.
    Aber die Wahrheit war, dass er keinen allzu klaren Kopf bewahrt hatte. Nachdem Meredith beiläufig eine Erwähnung des Gedichts von Richard Ballinger über Netze und Spinnen in das Gespräch hatte einfließen lassen, hatte Harry einen übermächtigen Drang verspürt, das Gedicht an sich zu bringen.
    Harry hatte geglaubt, er hätte sowohl sich selbst als auch Sheldrake davon überzeugt, dass der Krieg und all seine Schrecken hinter ihnen lagen. Doch jetzt gestand er sich ein, dass er niemals in der Lage sein würde, den Mann zu vergessen, der die Spinne genannt wurde. Zu viele Männer waren durch das Verschulden dieses Mistkerls umgekommen. Zu viele Risiken waren von guten Männern wie Peter Sheldrake eingegangen worden. Zu viele Verluste auf dem Schlachtfeld gingen auf diesen Verräter zurück.
    Und das Wissen, dass die Spinne höchstwahrscheinlich ein Engländer war, hatte Harry nur noch in seiner Frustration und Wut bestärkt.
    Harry wusste, dass er in dem Ruf gestanden hatte, seine Agententätigkeit kaltblütig und mit noch kälterer Logik zu betreiben. Doch in Wahrheit war das für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, seine grausigen Aufgaben auszuführen. Wenn er zugelassen hätte, dass seine Gefühle sich einmischten, dann wäre er gelähmt gewesen. Jeder Zug und jeder Gegenzug, jede Entscheidung, jede Einschätzung und jede Analyse wäre durch die grässliche Furcht beeinträchtigt worden, einen Fehler zu begehen.
    Kalte, glasklare Logik war für ihn das einzige Mittel gewesen. Aber unter der dünnen Eisschicht hatten die Wut und die Frustration gewütet. Und aufgrund der Rolle, die zu spielen er gezwungen gewesen war, hatte der größte Teil von Harrys Wut und seinen Rachegelüsten seinem direkten Gegenspieler gegolten, der Spinne.
    Harrys Veranlagung zur Logik und der Wunsch, sein eigenes Leben wiederaufzunehmen, hatten ihn in den Monaten nach Waterloo befähigt, seine Rachegelüste weit von sich zu schieben. Da er wusste, dass er höchstwahrscheinlich nie Antworten auf die quälenden Fragen bekommen würde, die ihn so oft wach gehalten hatten, hatte sich Harry in das Unvermeidliche gefügt. In den Dunstschwaden des Krieges waren viele Tatsachen für immer begraben, wie er Augusta am Tag des Picknicks erklärt hatte. Die wahre Identität der Spinne war als eine dieser Tatsachen erschienen, die sich niemals klären ließen.
    Aber jetzt war er durch eine beiläufige Bemerkung seiner Tochter eventuell auf einen neuen Anhaltspunkt gestoßen, der ihm Aufschluss über die Identität der Spinne geben könnte. Richard Ballingers Gedicht über die Spinne und ihr Netz konnte alles oder nichts an den Tag bringen. Harry wusste, dass er es sich so oder so genauer ansehen musste Er konnte keine Ruhe finden, solange er das verdammte Ding nicht gesehen hatte.
    Aber er hätte behutsamer an diese Angelegenheit herangehen müssen, schalt er sich aus. Die unerfreuliche Situation, in der er sich momentan befand, hatte er ganz allein sich selbst zuzuschreiben. Er war in teuflisch darauf versessen gewesen, das Gedicht zu sehen, und er war in sicher gewesen, dass Augusta seinem Befehl Folge leisten würde, und daher hatte er sich keinen Moment lang Gedanken darüber gemacht, wem ihre wahre Loyalität gelten könnte.
    Er wog seine Möglichkeiten ab.
    Wenn er jetzt nach oben ging und Augusta zwang, ihm das Gedicht zu überlassen, dann würde er mit Sicherheit jedes zarte Gefühl zerstören, das sie für ihn hegte, soviel wusste Harry. Es war gut möglich, dass sie ihm das nie verzeihen würde.
    Andererseits wurmte es Harry, dass ihre Loyalität dem Andenken ihres Bruders gegenüber stärker war als die Loyalität, die sie als seine Ehefrau hätte aufbieten müssen.
    Er schlug mit der Faust auf die Stuhllehne und stand auf. Er hatte Augusta auf der Herfahrt von London gesagt, dass die Liebe für ihn nicht weiter zählte. Was er von seiner Frau verlangte, war Loyalität. Sie hatte eingewilligt und ihm diese Loyalität zugesichert. Sie hatte sich bereit erklärt, ihre Pflichten als Ehefrau zu erfüllen.
    Und genau das sollte sie jetzt auch tun, verdammt noch mal.
    Harry fasste einen Entschluss. Augusta hatte selbst genug Kampfansagen

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