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Rendezvous

Rendezvous

Titel: Rendezvous Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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um Verzeihung für die herrische Art, auf die ich dir befohlen habe, mir das Gedicht auszuhändigen. Ich kann zu meiner Verteidigung nur vorbringen, dass diese Angelegenheit für mich von großer Bedeutung ist.«
    »Für mich ist diese Angelegenheit auch von großer Bedeutung«, warf sie ihm wütend an den Kopf.
    »Offensichtlich. Und anscheinend hast du deine Entscheidung getroffen. Du hast deutlich klargestellt, dass es dir wichtiger ist, das Andenken deines Bruders zu schützen, als deine Pflicht als meine Frau zu tun. Deine Loyalität gilt in allererster Linie den Northumberland-Ballingers Dein rechtmäßiger Ehemann bekommt nur das, was dann noch übrig ist.«
    »Mein Gott, Graystone, du bist grausam.« Augusta hielt ihr Taschentuch umklammert, als sie aufstand. Sie wandte ihm den Rücken zu und tupfte ihre Augen ab.
    »Weil ich dich bitte, mir in diesem Punkt zu gehorchen? Weil ich als dein Ehemann deine uneingeschränkte Loyalität fordere und nicht nur einen kleinen Bruchteil davon?«
    »Kannst du denn an nichts anderes als an Pflichtbewusstsein und Loyalität denken, Graystone?«
    »Doch, durchaus, aber im Moment scheint das das Ausschlaggebende zu sein.«
    »Und was ist mit deinen Pflichten und deiner Loyalität gegenüber deiner Frau?«
    »Ich habe dir mein Wort darauf gegeben, mit niemandem darüber zu reden, womit dein Bruder im Krieg befasst war, ganz gleich, was es auch gewesen sein mag. Das ist alles, was ich dir versprechen kann.«
    »Aber wenn du aus diesem Gedicht etwas herauslesen kannst, was darauf hinweist, dass mein Bruder ein ... ein Verräter war, dann wirst du es höchstwahrscheinlich so auslegen.«
    »Das spielt keine Rolle, Augusta. Der Mann ist tot. Tote werden nicht belangt. Er ist außerhalb der Reichweite des Gesetzes oder meiner persönlichen Rachegelüste.«
    »Aber seine Ehre und sein Ruf sind nicht tot.«
    »Sei ehrlich dir selbst gegenüber, Augusta. Du bist hier diejenige, die sich davor fürchtet, was sich in diesem Gedicht verbergen könnte. Du hast Angst, den Bruder, den du auf einen Sockel gestellt hast, von seinem Sockel stürzen zu müssen.«
    »Warum ist das Gedicht jetzt, nachdem der Krieg vorbei ist, noch so wichtig?« Sie warf über die Schulter einen forschenden Blick in sein Gesicht.
    Harry sah ihr in die Augen. »In den letzten drei oder vier Jahren hat es einen geheimnisvollen Mann gegeben, der die Spinne genannt wurde, für die Franzosen gearbeitet hat und in etwa dasselbe getan hat, was ich für die englische Krone getan habe. Wir waren der Überzeugung, dass es sich um einen Engländer handelt, teils, weil seine Informationen so präzise waren, und zum anderen Teil wegen seiner Vorgehensweise. Es hat viele gute Männer das Leben gekostet, und falls er noch am Leben ist, würde ich ihn seinen Verrat büßen lassen.«
    »Du willst dich an diesem Mann rächen?«
    »Ja.«
    »Und für diese Rache bist du bereit, unsere Beziehung als Mann und Frau zu zerstören.«
    Harry erstarrte. »Ich wüsste nicht, weshalb sich diese Angelegenheit auf unsere Beziehung auswirken sollte. Wenn doch, dann nur, weil du es zulässt.«
    »Ja, genau«, murmelte sie. »So stellt man es an. Wie klug von dir. Von vornherein mir die Schuld an allen feindseligen Gefühlen zuzuschieben, die durch deine Grausamkeit aufkommen könnten.«
    Harrys Wut flackerte erneut auf. »Und was ist mit deiner Grausamkeit mir gegenüber? Was glaubst du wohl, was ich bei dem Wissen empfinde, dass du es vorziehst, dem Andenken deines Bruders loyal zu bleiben, statt deinem Mann loyal zu sein?«
    »Es scheint, als sei ein tiefer Abgrund zwischen uns aufgeklafft.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn fest an. »Was auch passiert, zwischen uns kann es nie mehr so werden wie vorher.«
    »Es gibt eine Brücke über diesen Abgrund. Du kannst ewig auf deiner Seite stehenbleiben, der Seite der tapferen, verwegenen Northumberland-Ballingers, oder du kannst die Brücke überqueren und dich auf meine Seite stellen, dahin, wo unsere Zukunft liegt. Diese Entscheidung überlasse ich ganz und gar dir. Du kannst beruhigt sein, denn ich versichere dir, dass ich dir das Gedicht nicht gewaltsam abnehmen werde.«
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte sich Harry um und verließ ihr Schlafzimmer.
    Während der zwei folgenden Tage senkte sich eine höfliche frostige Stille auf den Haushalt herab. Die eisige Atmosphäre fiel Harry um so deutlicher auf, weil sie in einem so krassen Gegensatz zu den Wochen wohltuender Wärme stand, die

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