René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
fordert Holger Stanislawski ihn auf. Schnitzler nickt und unterdrückt ein Gähnen. Bis zu vier Mal die Woche spielt er in der Kieler Straße, dazu auch noch in anderen Läden. Das nimmt ihn stark in Anspruch.
Schnitzler verkehrt in einem Milieu, in dem er so gut aufgehoben ist wie ein Alkoholiker im Getränkemarkt. Auch in Hamburgs illegalen Runden, das sieht Schnitzler schnell, herrschen zuweilen merkwürdige Sitten. Auch hier geht man auf unterschiedliche Arten mit einer Niederlage um. Manche kühlen dabei ab, werden immer ruhiger, je mehr Geld sie lassen. Einer der Zuhälter, die regelmäßig mitpokern, schlitzt die letzte Karte mit dem Messer auf und brüllt vor Wut, wenn er mit einer guten Hand knapp unterliegt. Schnitzler wiederum reagiert ganz anders: Wenn das Spiel zugunsten seiner Gegner läuft, erhöht er den Einsatz. Er setzt und setzt und setzt, völlig ausdruckslos und fast schon apathisch. Seine Kinnlade hängt dann etwas weiter nach unten, wie bei einem Kleinkind, das in seine Bauklötze vertieft ist.
Schnitzler leiht sich Geld von einem der Zuhälter, gegen Zinsen, erst 500 Euro, dann mehr, am Ende steht er mit 10 000 Euro in der Kreide. Als Zins verlangt der Lude zehn Prozent, 1 000 Euro. Als Schnitzler nicht pünktlich zurückzahlen
kann, nimmt der Gläubiger ihn zur Seite, greift nach Schnitzlers Hand und drückt sie in Brusthöhe auf seine Jacke. Schnitzer fühlt etwas Hartes. »Ich habe ihn gefragt: ›Was ist das denn?‹ Da hat er eine Pistole rausgezogen und gesagt, dass die zu seinem Schutz sei.«
Das ist sein Umgang jetzt, und Schnitzler hat sich längst daran gewöhnt. »Ich bin immer wieder hin, das konnte mich alles nicht abschrecken«, sagt er im Rückblick. »Die Sucht war einfach zu stark.«
Schnitzler benötigt viel Energie, um über die Runden zu kommen. Überall reißen finanzielle Löcher auf, die er stopfen muss. Obwohl er im ersten Jahr beim FC St. Pauli regelmäßig auf dem Platz steht, Prämien kassiert und so bestens verdient. Weil er Rechnungen ignoriert und auch von seinen Kontoauszügen keine Notiz mehr nimmt, verliert er den Überblick über seine Finanzen. »Ich musste oft auf den letzten Drücker was nachbezahlen, um zu verhindern, dass sie mir den Handyvertrag oder eine Versicherung kündigen.« Als der Lude von der Reeperbahn das geliehene Geld zurück fordert und dabei keinen geduldigen Eindruck macht, verkauft Schnitzler kurzerhand ein nur geleastes Auto. Er steht noch heute zu diesem Entschluss: »Es war gesünder für mich, das Auto zu verticken, als den Typen warten zu lassen.«
Als sein guter Freund Christian Pöstges im März 2008 aus Mönchengladbach nach Hamburg kommt, ist der erst verwundert und dann erschrocken. Der Besuch ist abgesprochen, und Schnitzler sitzt mit Sara in seiner Luxuswohnung, »viel zu groß für zwei Personen«, findet Pöstges. Schnitzler hängt am Laptop und pokert, seinen Besuch beachtet er kaum. »Ich kam mir völlig überflüssig vor«,
erzählt Pöstges. Sara schaut fern, geredet wird kaum, und später kommen auch noch Schnitzlers Eltern dazu, die das Spiel von St. Pauli gegen 1860 München anschauen wollen.
Die Eltern ahnen nichts vom Doppelleben ihres Sohnes, und an diesem Wochenende deutet auch erst mal nichts darauf hin: Schnitzler steht in der Startelf. Nach dem Spiel fährt Schnitzler mit seinem Besuch auf die Reeperbahn. Sofort verfällt er in Euphorie und spielt die Rolle des Lebemanns und Abenteurers, der auch auf dem Kiez bekannt ist und Kontakte ins Rotlichtmilieu hat. Mitten auf der Party-und Sexstraße parkt er den weißen Mercedes CLS, steigt aus und schreitet in grauer Jogginghose zum nächsten Imbiss, um sich den größten Burger zu kaufen, der im Angebot ist. Gegen 1860 München ist er zwar ausgewechselt worden, das Spiel endete 0:0, aber Schnitzler tritt auf wie ein Matchwinner. »Irgendwann bin ich der König vom Kiez«, versichert er Christian Pöstges. Der allerdings ist skeptisch. »Ein paar Minuten später wollten wir in das Kasino auf der Reeperbahn. Da haben sie René aber nicht rein gelassen.«
Heike Schnitzler hat das Verbot für ihren Sohn erwirkt, 2005 im Spielkasino Aachen. Die Sperre gilt automatisch für alle deutschen Kasinos. Mit seinem Vater war Schnitzler wenige Wochen zuvor schon in die Spielbank Venlo gefahren, um sich auch dort vom Pokerbetrieb ausschließen zu lassen. Aber wenn die Sucht stärker ist als die Vernunft und gerade keine andere Partie gespielt wird, dann pokert
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