René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
außergewöhnlicher. Er setzt alles, was er hat, und oft noch mehr, um möglichst lange mit den Haien schwimmen zu können.
Fery hat ihn in einige Pokerrunden eingeführt, legal sind sie nicht. Wo Schnitzler auftaucht, liegt bald viel Geld auf dem Tisch, das hat sich schnell herum gesprochen im Hamburger Zockermilieu. Von außen wirken die Pokerhöhlen unauffällig, für Kenner sind sie leicht auszumachen.
Eine andere Liga ist das als die Spielchen in der Fußballmannschaft.
Schnitzlers Kollege Ralph Gunesch ist da manchmal Gastgeber, für seine Wohnung an der noblen Elbchaussee hat er sich extra einen Poker- und Billardtisch zugelegt. Schnitzler pokert einmal mit, am Tisch sitzen Timo Schultz, Florian Lechner, Alexander Ludwig und auch St. Paulis Teambetreuer Christian Bönig. Schnitzler gewinnt nicht mal 200 Euro, langweilt sich schnell und bestellt Pizza. »Ich habe die Zeit vertrödelt, bis irgendwo ein richtiges Turnier anfing.« Die Einsätze sind zu niedrig, als dass sie ihn am Tisch halten könnten.
Schnitzler ist erst wenige Monate in Hamburg, als er in einem Spielsalon in der Kieler Straße, nicht weit von der Autobahn A7 entfernt, erste Kontakte ins Hamburger Rotlichtmilieu knüpft. Im vorderen Teil des Raumes hängen an weißen Wänden Monitore und Zettel, auf denen die Wettkämpfe aufgeführt werden. Hier kann man in Pferde- und Hunderennen investieren, in Fußball, Handball, Volleyball. Geht man ein paar Stufen hinauf, verlässt man den legalen Teil des Ladens.
Dort, im Hochparterre, hockt René Schnitzler bald immer öfter. Am Tisch pokern Typen, die in Geschäftsbranchen Geld verdienen und verlieren, denen keine Berufsbezeichnung gerecht wird. Sie schlafen tagsüber und wirken nachts. Schnitzler hat gegen solche Mitspieler aus der Hamburger Halb- und Unterwelt nichts einzuwenden. Hier hat niemand Angst vor großen Scheinen. Und niemand muss nach Hause, weil es schon spät ist.
Die Nächte gehen schnell vorbei, und morgens, wenn für andere die Arbeit beginnt, lassen die Zocker sich vom Kiosk nebenan Brötchen, Kaffee und Redbull bringen. Schnitzler bestellt als Aufstrich Thunfisch, jedes Mal von Neuem. Beim Essen ist er konservativ, meidet jedes Risiko.
Kosta, ein Mann mit dunkler Raucherstimme und schwarzem, zurückgegeltem Haar, sitzt in einem griechischen Restaurant im Hamburger Schanzenviertel. Er hat ein bekanntes Strip-Lokal auf der Reeperbahn aufgebaut und sich später großzügig abfinden lassen. Dann hat er die Spielhölle in der Kieler Straße betrieben. Vor einiger Zeit ist er auch dort ausgestiegen. Für Kosta sind das jetzt alte Zeiten. Aber er erinnert sich gern daran.
Mit seinen Geschäften brachte er es zu einem schicken Haus am Rand der Stadt. Jetzt ist er Ende 40 und verheiratet, sein Sohn schon erwachsen. Die neue Alarmanlage und die Kameras zur Überwachung hat Kosta selbst eingebaut. Gerade tüftelt er eine neue Geschäftsidee aus. Er hat auch eine Tochter, die ist in der Pubertät und lernt manchmal oben im Haus mit einem Jungen aus ihrer Klasse. Das kann Kosta, der frühere Chef zahlreicher Stripperinnen, gar nicht gut ertragen. Er raucht dann noch hastiger als sonst.
Kosta hat viel erlebt mit Schnitzler, über den er, so sagen es andere Leute aus dem Rotlichtmilieu, seine Hand gehalten hat. Sie haben sich nicht immer verstanden. »Natürlich geraten Zocker auch mal aneinander«, erklärt Kosta. Als der frühere Kumpel im Frühjahr 2011 nach fast zwei Jahren Funkstille nach Hamburg kam und spontan bei Kosta klingelte, hat der sich gefreut. »Ich machte auf, sah den da stehen und sagte zu meiner Frau, ›Schatz, guck mal, du glaubst nicht, wer hier vor der Tür steht!‹ Zu René habe ich gesagt, ›Respekt, dass du dich her traust.‹ Aber dann haben wir uns gut unterhalten.«
In Kostas Zockerhöhle in der Kieler Straße spielt sich Schnitzler manchmal in Trance, er vergisst dann die Zeit. Die Karten verschaffen ihm die Illusion, alles im Griff zu
haben, selbst wenn die finanzielle Bilanz dagegen spricht. Es häuft sich, dass er ohne eine Minute Schlaf zum Training fährt, den Mief einer durchgemachten Nacht noch in den Klamotten. In Kostas Pokerrunde kündigt er an solchen Tagen an, in zwei Stunden zurück zu sein. Und manchmal, wenn die anderen noch weiterzocken, hockt Schnitzler sich nach dem Training tatsächlich erneut in die Runde.
Offiziell ist er immer noch Fußballprofi, aber der Beruf wird ihm langsam lästig. »Du musst mehr bringen, du kannst es doch«,
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