René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
er eine schwere Last zu tragen. Jetzt aber hat er sichtlich Spaß. Es dauert nur Momente, bis die Wette besiegelt ist. Als René Schnitzler zum Zweitligisten FC St. Pauli wechselt, verabschiedet er sich von Neuville mit diesem Angebot: Wer mehr Tore schießt und das Hin- und Rückspiel gewinnt, der ist um 1 500 Euro reicher. Neuville stürmt für den Bundesligaabsteiger Borussia Mönchengladbach, und Schnitzler kennt ihn ja nicht nur vom Fußballplatz.
In Hamburg wird Schnitzler mit großen Erwartungen begrüßt. Als Fußballer ist er eine seltene Spezies, ein spielender Rammbock, er bündelt rustikale und filigrane Fertigkeiten. Er kann mit beiden Füßen schießen, er ist kopfballstark, auf den ersten Blick hat er kaum Schwächen. Für Holger Stanislawski ist er der Stürmertyp, der bislang gefehlt
hat. Und es lässt sich gut an am Millerntor: Schnitzler startet als Stammspieler in die Saison, am zweiten Spieltag erzielt er den Siegtreffer zum 0:1 in Jena.
Auch außerhalb des Platzes besetzt er bald seine Wunschposition im Team: Schnitzler ist der Draufgänger und Dauerclown, der immer wieder mit neuen Einfällen überrascht. Als St. Pauli das Trainingslager in St. Gallen abhält und nach anstrengenden Einheiten alle Profis nur noch die Beine hoch legen möchten, will Schnitzler gleich hinter dem Rheinfall durch den Rhein schwimmen. »Das machst du nie«, behaupten die Mitspieler, und auch Holger Stanislawski schüttelt den Kopf. Bald fliegen die ersten Scheine, und als 500 Euro auf einem Haufen liegen, will Schnitzler ins Wasser gehen. Er zieht sich aus bis auf die Boxershorts, ein Mann vom Gemüt eines Kindes. Vor ihm stürzen die Wassermassen des Rheins gefährlich schnell vorbei. Schnitzler steht schon halb im Wasser, als Holger Stanislawski einschreitet. Auch ein Einheimischer warnt vor den gefährlichen Strudeln im Strom. »Wäre ich geschwommen, wäre ich vermutlich abgesoffen«, sagt Schnitzler heute.
Am Flughafen Franz Josef Strauß hat er dann einen neuen Einfall, wie er die Mannschaft unterhalten und gleichzeitig zu Geld kommen könnte. St. Pauli spielt beim TSV 1860 München, Schnitzler und seine Mitspieler warten im Terminal auf ihre Sporttaschen. Das Gepäckband steht aber noch still, und so kann Schnitzler den Kollegen eine Wette anbieten: Für 400 Euro, sagt er, fahre er eine Runde auf dem Gepäckband. Um Schnitzler herum stehen Björn Brunnemann, Ahmet Kuru, Alexander Ludwig und Fabian Boll. Ihre Reaktion ist die selbe, jetzt, in den ersten Monaten der Saison, als sie Schnitzler noch nicht so gut einschätzen können: »Machst du sowieso nicht!«
Doch Schnitzler meint es ernst, er beharrt auf seinem Angebot, und bald fangen die ersten Profis an zu feixen. Laut klatschen Hände gegeneinander, besiegeln die Wette. Als die Prämie eingesammelt ist, werfen sich 187 Zentimeter und 84 Kilo Zweitligaprofi auf das Gepäckband. Er fährt eine lange Runde, und natürlich lachen alle über den verrückten Kerl. Auch die Trainer, vor allem Holger Stanislawski, können der Unterhaltungseinlage etwas abgewinnen. Wer solche Sachen macht, hat auch im Strafraum keine Angst, solche Profis biegen auch ein Spiel um, in dem nichts mehr zu holen ist. Vielleicht denkt Stanislawski das. »Später erst sagte er mir, dass ja wohl auch nicht so viel zu halten sei von einem, der auf dem Gepäckband mitfährt«, sagt Schnitzler. Da allerdings ist sein Konto der Verfehlungen bereits stark angeschwollen.
Viel unterhalten sie sich im Arbeitsalltag nicht miteinander, Stanislawski und sein hochbegabter Stürmer. Schnitzler ist auch nicht der Typ, der zum Trainer geht und das Gespräch sucht. In Mönchengladbach war er immer einer der Besten, nahm eine hervorgehobene Position im Team ein. Schnitzler war sportlich kaum zu ersetzen, kein Trainer wollte deshalb auf ihn verzichten. Reden, um sich anzubieten, guten Willen zu demonstrieren und so zu Einsätzen zu kommen, das hatte er nie nötig. Als es bei St. Pauli schlechter läuft und er nicht mehr erste Wahl ist, bleibt sich Schnitzler treu.
Aber erst einmal stellt er seinen Trainer zufrieden: Am 24. Februar 2008 markiert er den wichtigen Ausgleich zum 1:1 gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth. Nach einer Ecke von Filip Trojan schleicht er sich an den langen Pfosten, sein Instinkt lässt ihn nicht im Stich, der Ball landet vor seinen Füßen. Anfang April wird er beim 5:0 gegen Freiburg zum großen Triumphator: Er schießt den zweiten und den vierten Treffer. Nach seinem
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