René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
jedoch nicht vor, den Mercedes in der Garage stehen zu lassen. Er lässt Schnitzler ausrichten, dass er nicht mehr lange auf den Fahrzeugbrief warte. Schnitzler weiß, dass das eine Drohung ist, reagiert aber nicht. Und so kommt es dazu, dass die in Hamburg nicht unbekannte Rotlichtgröße auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli erscheint. Als Schnitzler geduscht und seinen Audi fast erreicht hat, passt der Zuhälter ihn ab. Schnitzler reißt die Tür auf, springt hinein und langt zum Handschuhfach hinüber, wo er eine Gaspistole deponiert hat, weil er sich nicht mehr sicher fühlt. Doch dabei hängt sein linkes Bein noch aus dem Auto raus.
Der Zuhälter drückt die Tür zu und quetscht ihm das Bein ein. Schnitzler ist gefangen. Nach ein paar Augenblicken lässt er von dem Fußballer ab. Es ist eine Warnung, eine deutliche Botschaft: Schnitzler ist an den Falschen geraten.
Als der FC St. Pauli René Schnitzler mitteilt, dass er sein Reha-Programm nach der Leistenoperation auch in Mönchengladbach absolvieren könne, versteht der Stürmer, dass seine Tage in Hamburg gezählt sind. »Vermutet hatte ich eh schon, dass sie meinen Vertrag nicht verlängern würden.« Immer schwerer war es ihm gefallen, seinen Pflichten als Profi nachzukommen. »Ich konnte mich kaum noch auf Fußball konzentrieren, ich wollte lieber zocken.«
Nachdem Schnitzler den Leistenbruch auskuriert hat, kommt er noch zu zwei Einsätzen, Mitte März 2009 wird er in Aachen eingewechselt, am 22. März 2009 läuft er zum letzten Mal am Millerntor auf, in der 87. Minute beim Stand von 1:1 gegen den FC Augsburg. Schnitzler hat die große Chance zum Siegtreffer – und vergibt sie. Diese Möglichkeit bleibt stehen als Erinnerung an einen, der mehr gekonnt hätte.
Kurz darauf, Anfang April, wird Schnitzler vom FC St. Pauli freigestellt. Damit darf er nicht mehr am Trainings-und Spielbetrieb teilnehmen. Zur Begründung gießen Trainer Stanislawski und Co-Trainer André Trulsen all die Versäumnisse, Zwischenfälle und Peinlichkeiten aus fast zwei Jahren in einen Satz: Schnitzler habe keine ausreichend ernste Einstellung zum Fußball und zu seinem Beruf.
POKERN IN EUROPA
Umgehend verlässt der Suspendierte Hamburg, Sara bleibt allein zurück. Der Zuhälter jedoch, der weiter auf die Papiere für den Mercedes wartet, hat Schnitzler nicht vergessen. »Der wurde langsam unangenehm«, sagt Schnitzler heute.
Den Ausschluss beim FC St. Pauli hingegen nimmt er gelassen hin. Schnitzler hat sich inzwischen Gedanken gemacht, wie es weiter gehen soll mit ihm und seinem Leben. Ein Berufswechsel soll die Lösung bringen, Schnitzler hat entschieden, sich künftig ausschließlich dem Pokerspiel zu widmen. »Ich wollte Profi werden und war überzeugt, dass ich davon leben könnte.«
Das Leben als Zocker gefällt ihm. Am Pokertisch, in der Anarchie des Spielrausches fühlt er sich frei. Hier kann er darüber bestimmen, wo und wie lange er spielt, hier hat er allein das Sagen. Das zumindest glaubt Schnitzler.
Er verhandelt mit einem Pokeranbieter über einen Vertrag, will gegen Bezahlung an internationalen Pokerturnieren teilnehmen. Doch die Verhandlungen platzen kurz vor Abschluss, als der Pokeranbieter von einem Konkurrenten aufgekauft wird.
Dass Schnitzler immer wieder große Summen verspielt, wie am 29. März 2009, als er im Internet beinahe 25 000 Euro durchbringt, hält ihn nicht davon ab, seinen Plan zu verfolgen. Er erfährt, dass sein alter Kumpel Poki bei einem großen Turnier in Wien antritt, und reagiert: »Ich fahr sofort los«, sagt er, es ist der 5. April 2009, Schnitzler lebt da noch in Hamburg. Er überredet Sara mitzukommen. Rasch werden ein paar Klamotten zusammen gesucht, auch der Dalmatiner Sam steigt in den Audi Q7. Sie rasen zehn Stunden, ein Roadmovie ganz nach Schnitzlers Geschmack.
Aus dem Turnier, das drei Tage dauert, scheidet Schnitzler nach drei Stunden aus. Er hat beinahe 10 000 Euro verspielt, während Sara mit Sam in einem Park spazieren ging. Sara ist in seiner Nähe, aber doch weit weg.
In Wien lernen Schnitzler und Poki auch Michael Keiner kennen, einen approbierten Arzt, der bis 2006 noch als Plastischer Chirurg gearbeitet und dann beschlossen hat, sein Geld mit Pokern zu verdienen. Keiner kommt mit Schnitzler ins Gespräch – und redet ihm wortreich aus, es als Profi zu probieren. »Michael Keiner hat schnell erkannt, dass René nicht die Eigenschaften zum Profi hat«, sagt Poki. »Der will nämlich mit jeder Hand
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