René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
erzählt er, selbstsicher und in ruhigem Ton. Sein Smartphone piept währenddessen rund 20 Mal. Nur zwei Anrufe nimmt er entgegen.
»Bei mir spielen Verbrecher und Rechtsanwälte, Manager und Rumhänger und auch Fußballprofis. Wer zu mir kommt, der will nicht unter seinesgleichen sein. Den zieht das Verruchte und Verbotene an und überhaupt das besondere Flair: Drinks, hübsche Bedienungen, Zigarettenrauch und die kribbelige Stimmung, die entsteht, wenn es um viel Geld geht. Das ist für viele eine attraktive Mischung. Natürlich muss auch das Ambiente stimmen.«
Seinen Laden hat er von einem Innenarchitekten gemietet, Achim richtet hier auch größere Feiern aus. Der Innenarchitekt hat das großzügig geschnittene Lokal damals für mehr als 200 000 Euro umgebaut. Es besitzt Nikotinabzüge, elektrisch verstellbare Rollos, Leinwände und Beamer, um Fußballspiele zu zeigen. Mit abgewrackten Zockerhöllen in Hinterzimmern hat Achims Laden wenig zu tun.
»Was bei mir genau so zuhause ist wie bei den kleinen Läden, das ist die Sucht. Ich mache zwei Tage von sieben Tagen auf, und von den 80 Leuten, die dann kommen, sehe ich in der Woche drauf 77 wieder. Naja, ein paar weniger vielleicht, aber zwei Drittel sind infiziert. Die sind krank danach, die müssen Karten in der Hand halten, am besten jeden Tag. Das geht dann manchmal bis zum bitteren Ende, denn wenn die Leute sich erstmal in Trance gespielt haben, ist ihnen alles egal. Einige haben am Ende ihren Autoschlüssel auf den Tisch gelegt. Früher zahlte man solchen Verlierern immer das so genannte Totengeld, 50 Mark, damit sie es wenigstens anständig nach Hause schafften. Ich habe allerdings nie aus Prinzip Totengeld gegeben – Tote brauchen kein Geld mehr. Doch wenn einer nun wirklich richtig viel Geld gelassen hat, stecke ich ihm schon mal 200 Euro zu. Die darf er dann aber nicht verspielen. Zumindest nicht bei mir.«
Anbieter illegaler Zockerrunden betreiben ihr Geschäft nicht anders als die großen staatlichen Kasinos, die, um Spieler für die lukrativen Cash Game-Runden zu gewinnen, offizielle Turniere ausrichten. Bei Achim bleiben von 80 Teilnehmern eines Turniers etwa 20 sitzen. Sie pokern dann weiter, die ganze Nacht und zuweilen auch weit in den Tag hinein. Die Einsätze sind unbegrenzt.
»An den Turnieren verdient man ja nichts, beim Cash Game schon. Ein guter Ausrichter nimmt fünf Prozent von jeder Hand für sich. KJ nennt man das oder auch Rake. Es gibt ein paar Kollegen, die behalten acht oder sogar zehn Prozent KJ ein, aber im Grunde ist das Ausbeuterei. Mit fünf Prozent kann man gut leben. Eine Hand dauert ungefähr 180 Sekunden, pro Stunde werden also 20 Hände gespielt. Wenn zehn Leute in einer Runde sitzen und jeweils
Chips für 500 Euro wechseln und niemand würde nachwechseln, wäre das komplette Geld in acht bis neun Stunden beim Ausrichter. Das lohnt sich also schon.
Ich betreibe Poker als Kaufmann. Klar könnte ich selbst mitzocken, aber wofür? Mein Geld verdiene ich als Ausrichter. Außerdem sieht es immer komisch aus, wenn man in seine eigene Partie einsteigt und gewinnt. Dann heißt es schnell, es gehe nicht alles mit rechten Dingen zu. Und das ist der Anfang vom Ende. Ich kann mein Geschäft nicht seriös nennen, weil die Runden ja illegal sind, aber es muss alles korrekt ablaufen. Wenn die Spieler daran zweifeln, kommen sie nicht mehr.
Ein gutes Image ist wichtig in dieser Branche. In meinem Laden herrscht zum Beispiel Disziplin. Da kann ein Spieler sich gerne mal kurz aufregen oder auch mal vor Freude aufspringen, aber bestimmt nicht die ganze Nacht lang. Hitzköpfe kann ich nicht gebrauchen, vor allem nicht, wenn die dann noch das Diskutieren oder das Beleidigen anfangen. Kommt es doch dazu und geht zum Beispiel ein Spieler den Dealer an, stelle ich mich grundsätzlich hinter den Dealer. Mein Dealer ist unantastbar, solange er nicht heimlich in seine eigene Tasche wirtschaftet. Das passiert schon mal, vom Dealer gevögelt, so nennt man das. Ich werde manchmal in andere Runden gerufen, wenn ein Ausrichter einen Verdacht gegen seinen Dealer hat. Dann schaue ich dem unauffällig auf die Finger. Ich selbst bin noch nie vom Dealer gevögelt worden.
Man findet wenig weibliche Dealerinnen, das ist im Grunde schade. Frauen werden von den Spielern grundsätzlich stärker respektiert. Bei mir sind die Dealer freischaffende Künstler, sie leben vom Trinkgeld und werden nicht am KJ beteiligt.«
Immer wieder kommt Achim auf die
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