René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
der liest, ich habe da keinen Bock drauf.«
Das angelesene Fachwissen wird zügig angewendet, Schnitzler verbringt Tage und Nächte vor den Poker-Programmen. Nach der Operation verzockt er auch die komplette Summe, die ihm seine Krankenkasse überwiesen hat, um den Eingriff zu bezahlen. Er fühlt sich dabei nicht schlecht. Spielsucht betäubt.
AUSSER KONTROLLE
Mit anderen St. Pauli-Spielern trifft er sich Sonntagabends reihum in einer ihrer Wohnungen. Gemeinsam spielen sie auf »Pokerstars.de« die großen Turniere. Zweitligaspieler sitzen da konzentriert vor ihren Laptops, und
wenn einer derbe verloren hat, schickt der andere ihm online Geld rüber. Andreas Biermann ist fast immer dabei, Marius Ebbers und Björn Brunnemann regelmäßig. »Gunesch war auch ab und zu da«, erinnert sich Schnitzler.
An einem Sonntag gewinnt er zwei Turniere, kassiert zwei Mal 36 000 Dollar. Das könnte er sein, der große Wurf, der ihn aller Sorgen entledigt. Oder wenigstens eines großen Teils seiner Schulden, die zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 72 000 Dollar betragen. Doch bevor sich Schnitzler die üppigen Preisgelder auszahlen lässt, sind schon wieder 20 000 Dollar davon verloren. »Biermann hat gesagt, ›mach mal ruhiger‹, er wollte mich bremsen. Aber da war ich schon an den Tischen mit den höheren Einsätzen.«
Es kommt vor, dass sie die Nacht durchspielen und direkt danach zum Fußball fahren. Andreas Biermann leiht sich dann eine viel zu große Jeans von Schnitzler, weil er nicht beim Training in der Jogginghose erscheinen will, in der er gepokert hat. Auch auf der Rückfahrt von Auswärtsspielen pokern sie – auf dem Laptop. »Gunesch hat klein gespielt, Brunnemann und Ebbers haben ein bisschen mehr investiert, ich am meisten.«
Schnitzler spielt jetzt um alles Mögliche, in seiner Hosentasche steckt öfter mal ein Bündel 500-Euro-Scheine. »Ich stand zum Beispiel mit einem anderen Zocker draußen vor einer Häuserwand, jeder eine Münze in der Hand, und es ging um 500 Euro pro Wurf. Wer näher an die Wand warf, hatte gewonnen.« Verglichen mit anderen Wettspielen kommt es bei dieser Disziplin sogar noch auf Geschicklichkeit an. »Wir haben auch jeder eine Farbe ausgewählt, etwa Rot und Blau, und dann auf der Straße Frauen gefragt: Rot oder Blau? Das ging auch um 500 Euro. Im Grunde war mir egal, was wir gespielt haben, Hauptsache, es ging um Geld.«
Mit Kosta spielt er Billard in der Passage am UCI-Kino vor dem Elbtunnel. Schnitzler geht grundsätzlich davon aus, dass er die meisten Sportarten besser als andere beherrscht. Das erste Spiel verliert er – und erhöht danach laufend den Einsatz. Hunderte Hamburger gehen an dem mit Glaswänden abgetrennten Billardsaal vorbei zur Kinokasse. Wären sie stehen geblieben, hätten sie einen Spieler erlebt, der seine Grenzen ausdehnt und weiter ausdehnt und schließlich überschreitet. Nach zwei Stunden nämlich hat Schnitzler 19 000 Euro verloren. Kosta erlässt ihm die Schulden aber. Er versteht sich ja als väterlicher Freund und will dem Jungen den richtigen Weg weisen. Kosta hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: »Ich wollte, dass er mit dem Zocken aufhört.«
Schnitzler steckt im so genannten Losing Streak, einer Pechsträhne, die Zocker am meisten fürchten. Das Jahr 2009 hat gerade begonnen, da schnüren ihm Schulden beinahe die Luft ab. Allein bei seiner Bank ist er mit 80 000 Euro im Minus. Schnitzler leiht sich Geld, wo immer er kann, auch bei professionellen Kreditgebern, von denen man sich besser nur Geld leiht, wenn man auch wirklich im Stande ist, die Summe pünktlich und mit zehn Prozent Zinsen zurückzuzahlen. Im anderen Fall drohen solche Zinsenleute schon mal, einem die Knochen brechen zu lassen.
Schnitzler kann seine Schulden nicht immer pünktlich begleichen. Einmal, als er wieder in Verzug ist, muss Kosta die Kredithaie beruhigen. Er streckt das Geld vor, 5 000 Euro, und es dauert, bis er es von Schnitzler zurück bekommt.
Der muss jetzt auch Autos zu Geld machen. Sein Mercedes CLS 500 hat 105 000 Euro gekostet. Schnitzler gibt ihn für 35 000 Euro an einen Bordellbetreiber, allerdings
ohne Fahrzeugbrief. Der liegt noch auf der Bank, die den Wagen mitfinanziert, das Geld von Schnitzler aber längst noch nicht bezahlt bekommen hat.
Statt mit den 35 000 Euro den Fahrzeugbrief auszulösen, geht Schnitzler pokern. »Ich habe mir keine Gedanken mehr gemacht, wenn ich andere betrogen habe«, sagt er im Rückblick.
Der Bordellbetreiber hat
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