Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Stock kamen Barbara endlos vor. Dankbar hängte sie sich mit jeder Stufe mehr an ihre neue Bekannte. Gleichzeitig überlegte sie, wie sie diese Leni wieder los werden konnte. Sie schien ja eine hilfsbereite Seele zu sein. Aber was wollte sie eigentlich von ihr? Im stillen verfluchte sie ihre Redseligkeit. Das war doch sonst nicht ihre Art. Jedenfalls kam es überhaupt nicht infrage, dass sie mit der Frau mitging.
Als sie endlich vor ihrer Wohnungstür stand, fühlte sie sich völlig kraftlos. Mit zitternden Händen schloss sie die Tür auf.
Leni schnaufte auch gewaltig. Die kleine, aber rundliche Barbara hier hoch zu bugsieren war Schwerarbeit. Bis zum vierten Stock hätten sie es wohl nicht mehr geschafft. Endlich war die Tür auf, und Leni schaute sich neugierig um.
„Hier ist es aber...“
Ganz automatisch hatte sie etwas Nettes über die Wohnung sagen wollen, aber der Satz blieb ihr im Hals stecken. Kahle, weiße Wände starrten sie an. Nirgendwo war ein Bild oder sonst etwas Buntes zu sehen. Wie konnte man das hier am besten bezeichnen? Minimalistisch? Es war vielleicht ein Schlafplatz, aber unter „gemütlich“ verstand Leni etwas anderes. Es gab kaum persönliche Gegenstände zu entdecken, weder Gardinen noch Topfpflanzen. Alles war ordentlich und sauber, wenn man von dem zerwühlten Bett absah, das hinter einem Paravent in der Ecke des großen Zimmers stand. Kein Wunder bei den wenigen Möbeln. Auf einem kleinen Regal neben dem Fernseher lag ein Stapel Illustrierte, der einzige Lesestoff weit und breit. Leni kriegte Gänsehaut. Sie folgte Barbara in die kleine Küche. Ein Teller, eine Tasse, daneben ein Messer, wenigstens gegessen wurde hier ab und zu.
Barbara behielt ihren Mantel an. Auch Leni hatte kein Verlangen, ihren auszuziehen. Es war ungemütlich kalt, nur wenig wärmer als draußen.
„Hier kannst du beim besten Willen nicht bleiben“, stellte sie fest. „Pack ein paar Sachen zusammen, und dann nichts wie raus hier.“
Die Aussicht auf ein warmes Zimmer war äußerst verlockend.
„Ich bleibe lieber hier. Im Schrank ist noch eine Decke, mir wird schon warm werden“, sagte Barbara unsicher.
„Das kommt überhaupt nicht infrage. Hast du irgendwo einen Koffer oder eine Reisetasche?“
Im Flurschrank fand Leni einen kleinen Koffer. Widerstrebend packte Barbara ein paar Kleidungsstücke ein.
„Ist was im Kühlschrank, das verderben könnte?“
Leni dachte an alles. Aber da drohte keine Gefahr. Der Kühlschrank war leer. Vielleicht hatte die Frau Geldprobleme? Aber das war im Moment egal. Sie schnappte sich den Koffer und wartete geduldig, bis Barbara die Wohnung abgeschlossen hatte.
Es hatte angefangen zu regnen, und die bleigrauen Wolken verschluckten das spärliche Tageslicht. Leni startete den Motor, stellte die Scheinwerfer an und fuhr los. Es war wirklich nur ein Katzensprung bis zu Arthurs Haus. Erst als Leni den Motor abstellte, kamen ihr Bedenken. Vielleicht hätte sie erst Arthur fragen sollen, was er von dem Ganzen hielt. Aber dazu war es jetzt zu spät. Außerdem war sowieso dicke Luft seit dem Besuch dieses Anwalts. Da kam es auf ein bisschen mehr Ärger auch nicht mehr an. Kampfbereit wie eine Glucke schob sie das Kinn vor. Sie würde schon dafür sorgen, dass die kranke Barbara ins Warme kam.
Der Fernseher war ausgestellt. Das war ein gutes Zeichen, Arthur war nicht zu Hause.
„Komm rein, hier ist es warm.“
Sie schob Barbara in den Flur.
„Die Treppe hoch. Ich zeig dir erst einmal, wo du schlafen kannst.“
Sie wollte ihren Logierbesuch so schnell wie möglich einquartieren. Tatsachen schaffen, das schien ihr die beste Methode, um Arthurs Protest im Keim zu ersticken.
Während das Wasser in die Wanne lief und sich das Badezimmer mit heißem Dampf füllte, packte Leni die wenigen Sachen aus dem Koffer. Gut, dass in dem freien Zimmer auch eine Schlafcouch stand, da konnte sich Barbara in aller Ruhe erholen. Während Barbara im Bad verschwand, holte Leni Bettzeug aus ihrem Zimmer und drehte den Heizkörper auf. Zufrieden sah sie sich um.
„Sag Bescheid, wenn du was brauchst. Ich gehe runter und mache Tee“, rief sie durch die geschlossene Badezimmertür. Als Antwort kam ein Krächzen, das sie als Zustimmung deutete.
Sie setzte Wasser auf, stellte Tassen und Tee bereit und holte dann nach kurzem Überlegen die Rumflasche aus Arthurs Hausbar. Ein Schuss Alkohol würde nichts schaden und Barbara schnell einschlafen lassen. Sie stellte noch eine Schale mit
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