Replay - Das zweite Spiel
in der Luft wie der Geruch feuerroter Blumen.
Ein hübsches Haus wäre ebenfalls schön gewesen, vielleicht eines dieser vornehmen Häuser in der Upper Mountain Road in Montclair, an denen sie an so vielen wehmütigen Sonntagen vorübergefahren waren. Oder ein Wohnsitz in White Plains, ein Zwölf-Zimmer-Tudorhaus an der Ridgeway Avenue in der Nähe des Golfplatzes. Nicht, dass er anfangen wollte, Golf zu spielen, aber all diese weitläufigen Grünflächen mit Namen wie Maple Moor und Westchester Hill würden eine viel erfreulichere Umgebung abgeben als die Auffahrten zum Brooklyn-Queens-Expressway und die Flugschneise von LaGuardia.
Sie brauchten auch ein Kind, obwohl Linda unter diesem Mangel wahrscheinlich mehr litt als er. Jeff stellte sich ihr ungeborenes Kind immer achtjährig vor, dem anstrengenden Säuglingsalter längst entwachsen, aber noch nicht in den Wirren der Pubertät. Ein gutes Kind, nicht übertrieben schlau und nicht affektiert. Ob Junge oder Mädchen, darauf kam es nicht an; nur ein Kind, ihr Kind und seines, das lustige Fragen stellte und zu nah am Fernseher saß und in dem sich der Funke der sich entwickelnden Individualität zeigte.
Aber es würde kein Kind geben; seit Lindas Bauchhöhlen-Schwangerschaft 1975 wussten sie, dass dies unmöglich war. Es würde auch kein Haus in Montclair geben und keins in White Plains; Jeffs Stellung als Nachrichtendirektor am WFYI-Radiosender in New York klang beeindruckender, lukrativer, als sie tatsächlich war. Vielleicht würde er noch den Sprung zum Fernsehen schaffen; aber mit dreiundvierzig war das zunehmend unwahrscheinlich.
Wir brauchen, wir brauchen… ein Gespräch, dachte er. Wir sollten uns gegenseitig in die Augen sehen und einfach sagen: Es hat nicht funktioniert. Rein gar nichts, weder die Liebe noch die Leidenschaft oder die glorreichen Pläne. Alles ging daneben, und niemand hat Schuld. Es ist einfach so gekommen.
Doch das würden sie natürlich niemals tun. Das war der Hauptgrund ihres Scheiterns: die Tatsache, dass sie selten über tiefere Bedürfnisse sprachen, niemals das quälende Gefühl von Ungenügen anschnitten, das immer zwischen ihnen stand.
Linda wischte sich mit dem linken Handrücken eine bedeutungslose, zwiebelerzeugte Träne ab. »Hast du zugehört, Jeff?«
»Ja. Ich hab zugehört.«
»Was wir brauchen«, sagte sie, in seine Richtung blickend, aber nicht genau zu ihm hin, »ist ein neuer Duschvorhang.«
Höchstwahrscheinlich war das die Ebene von Bedürfnissen, die sie am Telefon hatte ansprechen wollen, als er starb. »… ein Dutzend Eier«, würde ihr Satz wahrscheinlich geendet haben. Oder: »… eine Packung Kaffeefilter.«
Doch warum dachte er das alles?, wunderte er sich. Er starb, um Himmels willen; sollten seine letzten Gedanken nicht irgendwie tiefschürfender sein, philosophischer? Oder vielleicht eine Wiederholung der Höhepunkte seines Lebens im Zeitraffer, dreiundvierzig Jahre in Betavision? Das war es doch, was Menschen beim Ertrinken erlebten - oder etwa nicht?
Es fühlte sich wie Ertrinken an, dachte er, während die gedehnten Sekunden verstrichen: der schreckliche Druck, das hoffnungslose Ringen nach Luft, die klebrige Feuchtigkeit, die seinen Körper bedeckte, während salziger Schweiß über seine Stirn hinabströmte und in seinen Augen brannte.
Ertrinken. Sterben. Nein, verdammt, nein, das war ein unpassendes Wort, anwendbar nur auf Blumen oder Haustiere oder andere Menschen. Alte Menschen, kranke Menschen. Unglückliche Menschen.
Sein Gesicht fiel auf den Schreibtisch, die rechte Wange wurde flach gegen den Aktenordner gepresst, den er gerade hatte durcharbeiten wollen, als Linda anrief. Der Sprung im Briefbeschwerer lag deutlich vor seinem geöffneten Auge: ein Riss durch die Welt, ein zerklüftetes Spiegelbild des in seinem Inneren tobenden Todeskampfs. Durch das zerbrochene Glas hindurch sah er die leuchtend roten Ziffern der Digitaluhr oben auf dem Bücherregal:
12:57 18 Okt 88
Und dann gab es nichts mehr, worüber nachzudenken sich vermeiden ließ, weil der Vorgang des Denkens zum Erliegen gekommen war.
Jeff bekam keine Luft.
Natürlich bekam er keine Luft; schließlich war er tot.
Aber wenn er tot war, warum spürte er dann, dass er keine Luft bekam? Und warum spürte er überhaupt etwas?
Er drehte den Kopf von der zerknautschten Decke weg und atmete. Abgestandene, stickige Luft, angefüllt mit seinem eigenen Schweißgeruch.
Also war er nicht gestorben. Irgendwie elektrisierte ihn
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