Replay - Das zweite Spiel
sporadischer Allmachtsphantasien nie der launischen Destruktivität und Grausamkeit, wie sie Göttern häufig eigen ist. Im Gegenteil wirkt sich die Erkenntnis, über welch gewaltige Macht er verfügt, geradezu förderlich auf seinen Reifeprozess aus: Er lernt, über sich selbst und seine unmittelbare Umgebung hinauszudenken.
Dazu trägt wesentlich Pamelas Film Starsea bei, dessen Hauptaussage darin besteht, dass die Menschheit nicht der Mittelpunkt des Universums ist, ja vielleicht nicht einmal die wichtigste Spezies auf unserem kleinen Planeten.
Der Film handelt auch von Göttern, das heißt Ersatzgöttern - gütige Außerirdische:
Der Film begann mit einer elegischen Schilderung des alten Bundes zwischen Menschen und Delphinen, dann weitete er diese mythische Verbindung auf eine philosophische Rasse von Außerirdischen aus, die vor langer Zeit Kontakt zu den intelligenten Säugern der irdischen Meere hergestellt hatten. Diese Rasse hatte, dem Plot zufolge, die Cetaceaner als gütige Beschützer der Menschheit eingesetzt, bis zu dem Zeitpunkt, da diese bereit wäre, in der galaktischen Familie willkommen geheißen zu werden. Doch gegen Ende des 20. Jahrhunderts erfuhren die Delphine, dass die Ratgeber/von Cygnis IV, deren Rückkehr sie seit Jahrtausenden erwartet hatten, durch eine interstellare Katastrophe vernichtet worden waren. Daraufhin enthüllten die Delphine in einem ebenso heiteren wie tieftraurigen Moment der Menschheit ihre wahre Natur und ihre große Geschichte. Zum ersten Mal wurde dieser Planet ein wirkliches Ganzes, eine vernetzte Gemeinschaft von Intelligenzen zu Lande und zu Wasser - jetzt, da die unbekannten Wohltäter auf ewig verschwunden waren -, aber auch einsamer in der Leere des Weltraums als je zuvor.
Die Bewohner von Cygnis sind in ›Replay‹ nicht die alleinigen hypothetischen Außerirdischen, die geeignet scheinen, die Götterrolle zu übernehmen. Der einzige andere Wiederholer, den Jeff und Pamela ausfindig machen, ist der geistesgestörte Stuart McCowan. Er ist überzeugt davon, dass die Menschheit ein Spielball in den Händen von Außerirdischen ist, die von Antares stammen und unsere Spezies als Zeitvertreib betrachten. Die Antareaner ergötzen sich demnach an unseren Kriegen, Seuchen, Tragödien, Massenmorden, Naturkatastrophen, und haben McCowan zufolge, sollte es uns irgendwann einmal gelingen, dem ganzen Elend ein Ende zu machen, keinen Grund, uns nicht zu vernichten. Für ihn ist es daher eine Frage religiösen Gehorsams - und ein Beitrag zum Überleben der Menschheit in jeder seiner Wiederholungen die Rolle eines Serienkillers zu spielen, der junge Frauen und Kinder tötet. Wie viele Massenmörder vor und nach ihm wähnt er sich im Recht - er besänftigt die Götter.
Die Außerirdischen von Cygnis und Antares repräsentieren die beiden Gesichter des christlichen Gottes (und die der meisten anderen Götter, die die Menschheit erschaffen hat): Auf der einen Seite der grausame Despot, der sich daran erfreut, Menschen grundlos Leid zuzufügen, auf der anderen Seite der allwissende, gütige Wohltäter, der - ohne je in Erscheinung zu treten - unserer Spezies Glück und Frieden bringen will, dem dies aber aus Gründen, die sich (ungeachtet Seiner Allmacht) Seinem Einfluss entziehen, einfach nicht gelingt - zumindest im Moment noch nicht. Anders gesagt: Die Außerirdischen erfüllen die für uns offenbar notwendige Funktion einer mächtigen, aber verborgenen Wesenheit, die für das ganze Elend der Menschheit - insbesondere für das Leid und das Böse, das sie sich selbst zufügt - die Verantwortung trägt. Diesen Schluss zieht Jeff selbst in einer seiner späteren Wiederholungen:
»Wir haben bei all den anderen Morden nicht zu intervenieren versucht, oder?«, sagte Jeff. »Wir sind nicht einmal auf den Gedanken gekommen, abgesehen von diesem ersten Mal, als ich Kennedys Ermordung verhindern wollte, und das war eine ganz andere Kategorie. Wir - nicht nur du und ich, sondern alle Bürger dieser Gesellschaft - leben mit der Brutalität, mit dem willkürlichen Tod. Wir ignorieren das nahezu, außer wenn es uns unmittelbar zu bedrohen scheint. Schlimmer noch, manche Leute finden es sogar unterhaltsam, ein Nervenkitzel aus zweiter Hand. Das sind die achtzig Prozent, um die es sich im Nachrichtengeschäft vor allem dreht: Amerika mit seiner täglichen Dosis Tragödie zu versorgen, bestehend aus anderer Menschen Blut und Qual. Wir sind die Antareaner aus Stuart McCowans
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