Reptilia
Essen ausführen oder einfach etwas mit mir unternehmen. Du hast es mir versprochen, erinnerst du dich? Und was ist geschehen? Nichts. Nada . Ich weiß nicht, wie du dir das mit uns vorgestellt hast, aber so geht es jedenfalls nicht.«
»Ich würde wirklich gern mehr Zeit mit dir verbringen«, versuchte ich mich herauszureden, »aber ich habe gerade so viel um die Ohren, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.«
»Du lügst – und das weißt du auch ganz genau.« Sarahs Stimme bekam einen kalten Klang. Kein gutes Zeichen.
»Erst vor einer Woche hat meine Freundin Ellen dich und deine Freunde bei irgendeinem Konzert gesehen.«
»… bei den Red Hot Chilli Peppers.«
»Ist mir scheißegal , wer das war«, sagte sie. »Ein paar Tage vorher bist du durch irgendwelche Kneipen getingelt, und so weiter. Tatsache ist, dass du vor mir davonläufst.«
»Das stimmt nicht, Sarah, ich …«
»Mach’s gut, Da vid.«
»Halt, bitte leg nicht auf. Ich tue alles, was du willst. Ich werde es dir erklären und mich entschuldigen, wenn du nur kommst.«
Die Stimme am anderen Ende zögerte. »Ehrenwort?«
»Wenn ich’s doch sage.«
»Warte mal ‘nen Moment.« Ich hörte Geraschel neben dem Telefon, dann war sie wieder da. »Na gut. Ich habe Stanford in der zweiten Stunde, den kann ich sausen lassen. Wenn du möchtest, bin ich in zehn Minuten da. Aber du solltest dir was einfallen lassen, sonst bin ich genauso schnell wieder weg.«
»Danke, Sarah. Bis gleich.« Ich legte den Hörer auf und atmete tief durch. Der schwerste Teil war überstanden. Ich überlegte, ob ich noch jemanden ins Vertrauen ziehen sollte, doch mir fiel niemand ein. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Professor J. N. Ambrose trat ein. Mr. Am, wie wir ihn scherzhaft nannten, weil er sich ständig räusperte, war ein großer, übergewichtiger Mann mit einer Halbglatze und einer schwer nachzuvollziehenden Vorliebe für Cordanzüge. Er warf einen Blick über die Schulter, so, als habe er Angst, beobachtet zu werden. Dann huschte er herein, schloss die Tür und fixierte mich über den Rand seiner Nickelbrille hinweg.
»David, David«, sagte er, und in der Art wie er das sagte, schwang sowohl Tadel als auch Respekt mit. »Sie bringen mich ganz schön in Schwierigkeiten.«
»Sir?«
Er zog einen Hocker zu sich heran und ließ sich geräuschvoll daraufplumpsen. Ich seufzte. Das schien etwas Längeres zu werden. Ich schielte auf die Uhr, denn ich wollte auf keinen Fall die Verabredung mit Sarah verpassen.
»Sind Sie glücklich bei uns?« Ambrose schenkte mir ein Lächeln, dass schwer einzuordnen war.
»Nun Sir, … ja … im Großen und Ganzen«, fügte ich nach einer kurzen Pause hinzu. »Warum?«
Ambrose blickte erst auf seinen Ehering, dann auf meine Reisetasche in der Ecke. »Sie arbeiten nun schon seit drei Jahren als mein Assistent und haben in dieser Zeit hervorragende Arbeit geleistet. Ich wüsste nicht, was ich ohne Sie täte. Ablage, Archivierung, Korrespondenz, alles tadellos. Wirklich.« Er geriet ins Stocken und räusperte sich ausgiebig. Ich fragte mich, worauf er hinauswollte. Es war normalerweise nicht seine Art, um den heißen Brei herumzureden. »Ihre Arbeiten im Bereich der Protein-Kristallografie haben mich ebenfalls beeindruckt«, fuhr er fort. »Sehr modern.«
Lügner, dachte ich. Alles, was er bisher zu diesem Thema zu sagen hatte, beschränkte sich auf Kommentare wie unnützes Zeug und vergeudete Zeit. Doch da ich die Forschung außerhalb meiner regulären Arbeitszeit betrieb, konnte er dagegen nichts einwenden.
Ambrose wischte sich die Stirn. »Ein neuartiger Ansatz, das muss ich sagen. Sehr unkonventionell, aber man weiß ja nie, was dabei herauskommt, nicht wahr? Auf jeden Fall ein Bereich, der unsere Studenten sehr interessieren wird. Was würden Sie dazu sagen, wenn ich mich dafür einsetze, dass dieser Forschungszweig offiziell in unser Studienprogramm aufgenommen wird? Unter Ihrer Leitung natürlich. Würde Ihnen das gefallen? Oh ja, ich glaube, das würde es.« Er zwang sich zu einem Lachen, doch es klang eher verzweifelt als lustig. Das Ticken der Uhr drang unangenehm in mein Ohr, und noch immer war Ambrose nicht mit der Sprache rausgerückt.
Endlich klatschte er sich mit den Händen auf die Schenkel und sagte: »Es hat keinen Sinn, es Ihnen noch länger zu verschweigen, David. Ich stecke in der Klemme. Vorgestern erhielt ich einen Anruf aus Kalifornien.«
Daher wehte also der Wind. Jetzt war mir alles
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