Reptilia
Sie erwartet Sie in drei Tagen in Brazzaville.«
»In drei Tagen?«, brach es aus mir heraus. »Das ist unmöglich. Ich muss am Donnerstag einen Vortrag halten und …«
»Ist alles schon geregelt. Ich habe mich mit Professor Ambrose in Verbindung gesetzt, und er hat Ihren Urlaub für die gesamte Dauer der Expedition genehmigt. Ihnen werden keine Nachteile entstehen, im Gegenteil. Und wenn Ihre Mission erfolgreich ist, steht es Ihnen frei, über Ihre Erlebnisse zu berichten«, fügte sie hinzu.
»Und was ist mit Mokéle m’Bembé?«
»Dafür sind Ihre Begleiter zuständig. Ich möchte Sie nur bitten, Ihr Wissen einzusetzen, um meine Tochter zu retten.«
Plötzlich fiel mir der animalische Schrei wieder ein, den ich in dem Film vernommen hatte. Misstrauisch hob ich den Kopf. »Wollen Sie es fangen oder töten?«
»Weder noch«, sagte die Lady. »Ich habe meine Pläne nach Emilys Verschwinden geändert. Beide Alternativen sind zu gefährlich. Sie haben gesehen, was dieses Ungeheuer anrichten kann. Alles, was ich möchte, sind ein paar intakte Zellen, die wir in unseren Labors kultivieren können. Es kann Blut sein, Haut oder anderes Gewebe. Wichtig ist nur, dass die Zellen lebend hier ankommen. Zu diesem Zweck werde ich Sie mit einem speziellen Gerät ausrüsten. Sie werden es mögen.« Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht, das aber genauso schnell verschwand, wie es erschienen war. Sie ließ ihre Hände auf die Oberschenkel sinken. »Genug geredet. Jetzt, da Sie alles wissen, stehe ich vor der schweren Aufgabe, Sie zu fragen, ob Sie den Auftrag annehmen. Ich hoffe es inständig, denn wenn Sie ablehnen, weiß ich nicht weiter.«
Stewart Maloney wuchtete seine zwei Meter große Gestalt aus den Polstern und blickte uns allen in die Augen. Was er dort sah, schien ihn in seinem Entschluss zu bestätigen.
»Madam, ich glaube für uns alle sprechen zu dürfen, wenn ich Ihnen sage, dass es uns eine Ehre ist, für Sie zu arbeiten. Was mich betrifft, so haben Sie mich überzeugt. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ich eine solche Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen würde.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Sixpence. »Verdammt noch mal, ich kann es kaum erwarten, dieses Biest mit eigenen Augen zu sehen.«
Ich fühlte mich genötigt, auch etwas Positives zu sagen, selbst wenn ich die Euphorie der anderen nicht im Mindesten teilte. »Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, und ich stehe dazu«, sagte ich. »Ich hoffe, dass wir Ihnen gute Nachrichten bringen können.«
Ein Strahlen überzog das Gesicht unserer Gastgeberin. »Dann möchte ich mit Ihnen auf gutes Gelingen anstoßen – und natürlich darauf, dass Sie alle wohlbehalten wieder heimkehren. Meine Gebete begleiten Sie. Möge Ihre Mission unter einem guten Stern stehen.« Sie hob das Glas. »Cheers!«
7
Montag, 8. Februar
Imperial College, London
Es goss in Strömen, als das Taxi um kurz vor acht in den Queens Way einbog und mit quietschenden Reifen vor dem blau gestrichenen Falthom Gate der biologisch-zoologischen Fakultät im Londoner Stadtteil South Kensington hielt. Ich drückte dem Fahrer vierzig Pfund in die Hand, verzichtete auf das Wechselgeld und eilte, meine Reisetasche als Schutz über den Kopf haltend, zum Flower Building. Er brüllte noch irgendetwas hinter mir her, aber das interessierte mich nicht. Ich konnte nur hoffen, dass es ein Dankeschön war, angesichts des respektablen Trinkgelds, das er soeben erhalten hatte. Ich fischte in meiner Jackentasche nach der Magnetkarte, um die gläserne Eingangstür zu öffnen, die um diese Zeit noch verschlossen war. Der Kartenleser befand sich direkt neben dem Schild mit der Aufschrift: Imperial College – Center for Structural Biology.
Glücklich, dem eiskalten Regen zu entrinnen, trat ich ein. Die Haupttreppe war wegen der umfangreichen Renovierungsarbeiten, die zurzeit überall auf dem Campus stattfanden, gesperrt, und so nahm ich den Umweg über das Kellergeschoss. Als ich den Gang zu meinem Büro entlanghastete, hörte ich, dass am Cryo-Elektronenmikroskop bereits gearbeitet wurde. Besser gesagt: noch gearbeitet wurde. Um diese Uhrzeit konnte es sich nur um Michael Cheng handeln, der es liebte, sich die Nächte an dem gewaltigen Gerät um die Ohren zu schlagen.
»Schon wieder Sie, Mr. Cheng!«, rief ich beim Vorübergehen im Tonfall unseres Dekans, Professor Ambrose. Ich hörte einen dumpfen Schlag, als hätte sich jemand den Kopf gestoßen, und einen chinesischen Fluch, dann tauchte
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