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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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klar.
    »Lady Palmbridge, die Vorstandsvorsitzende von Palmbridge Enterprises rief mich an. Wir hatten ein sehr langes und intensives Gespräch, in dessen Verlauf sie mir zusicherte, zugunsten unserer Fakultät eine Stiftung von jährlich zwei Millionen Dollar im Gedenken an ihren verstorbenen Mann einzurichten. Die Stiftung soll sowohl der finanziellen Unterstützung des Institutes als auch der Nachwuchsförderung dienen.«
    »Das ist ja großartig.«
    »Nicht wahr? Aber leider ist dieses großzügige Angebot an zwei Bedingungen gekoppelt. Und beide Bedingungen betreffen Sie.« Er sah mich mit großen Augen an.
    »Mich? Was für Bedingungen?«
    »Die erste habe ich Ihnen ja schon genannt, nämlich, dass ich einen Lehrstuhl für Protein-Kristallografie einrichte, dessen Leitung Ihnen übertragen wird. Im Grunde geht es nur darum, die Forschungen, die Sie ohnehin schon betreiben, über die zentrale Rechnungsstelle laufen zu lassen und einige Vorlesungen in den allgemeinen Stundenplan zu integrieren. Nichts Aufregendes also.«
    »Und die andere?«
    »Nun, … ich müsste Sie aus meinem Dienst entlassen und Ihnen eine Professur anbieten. Wenn Sie das überhaupt wollen«, fügte er hastig hinzu.
    »Ob ich das will?« Ich konnte mich kaum noch auf dem Sitz halten. Der Stuhl fühlte sich plötzlich an, als verfüge er über Sprungfedern, die mich in die Luft katapultieren wollten. Eine Professur. An einem Lehrstuhl für Protein-Kristallografie. Das war mehr, als ich mir jemals erträumt hatte.
    Ambrose wischte sich erneut über die Stirn und lächelte gequält. »Ja, das habe ich mir gedacht. Ich habe sogar schon angefangen, mich nach einem geeigneten neuen Assistenten umzusehen, aber es ist schwierig. Sehr schwierig. So wenig Kompetenz da draußen. Na ja, aber das ist nicht Ihr Problem …«
    Seine Worte schwirrten in meinem Kopf. Stiftung – Lehrstuhl – Professur. Es war zu schön, um wahr zu sein. Irgendwo im hinteren Teil meines Kopfes klingelte eine Alarmglocke. Warum betrieb Lady Palmbridge so einen Aufwand? War sie sich meiner nicht sicher? Ich beschloss, diesem Gedanken zu einem geeigneteren Zeitpunkt intensiver nachzugehen.
    Dr. Ambrose wirkte geknickt, weil ich noch kein Wort des Bedauerns gesprochen hatte, und so sagte ich, um ihn irgendwie aufzumuntern: »Cheng.«
    »Wie bitte?«
    »Michael Cheng. Haben Sie schon mit ihm über den frei werdenden Posten gesprochen? Er ist pünktlich, zuverlässig und ein guter Student. Ich könnte mir vorstellen, dass er an dem Job interessiert wäre.«
    »Cheng.« Ambrose ließ den Namen wie ein Bonbon auf seiner Zunge rollen. »Die Idee ist nicht schlecht.«
    »Außerdem hätten Sie ein gutes Druckmittel gegen ihn in der Hand.«
    »Und das wäre?«
    »Wenn er gut arbeitet, darf er länger ans Elektronenmikroskop, und wenn er schlampt, wird die Zeit eingeschränkt. Zuckerbrot und Peitsche. Sie werden sehen, es funktioniert.«
    Professor Ambrose verzog den Mund zu einem respektvollen Grinsen. »Wie haben Sie es nur so lange an meiner Seite ausgehalten? Ich fange an zu glauben, dass Sie einen verdammt guten Professor abgeben werden.«
    Ich blickte auf die Uhr und sah entsetzt, dass die verabredete Zeit schon überschritten war. Ich sprang auf, griff nach meinem Mantel und zog ihn an. Dann drückte ich Ambroses Hände und sagte: »Danke. Danke für alles. Leider muss ich jetzt weg.«
    »Sie müssen … weg?« Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Ich hatte gehofft, die frohe Nachricht mit einem ausgedehnten Frühstück bei meinem Lieblingsitaliener feiern zu können.«
    »Leider nicht. Aber ich möchte mich nicht verabschieden, ohne Ihnen vorher gesagt zu haben, wie dankbar ich bin, dass Sie sich so für mich eingesetzt haben. Das werde ich Ihnen nie vergessen.« Ein letzter Händedruck, dann eilte ich an ihm vorbei zur Tür hinaus.
    »Dann kann ich das Angebot von Lady Palmbridge also annehmen?«, rief er mir nach, ohne auf den ironischen Unterton in meiner Stimme einzugehen.
    »Unbedingt!«
    »Gut. Und, David …«
    »Ja, Sir?«
    »Bereiten Sie uns keine Schande im Kongo. Zeigen Sie sich von Ihrer besten Seite, und kommen Sie vor allem heil zurück!«

8
    Der Regen schien an Heftigkeit noch zugenommen zu haben, so dass ich völlig durchnässt war. als ich die Bibliotheks-Cafeteria betrat. Um diese Uhrzeit war hier noch nicht viel los. Außer einer Gruppe japanisch schnatternder Gaststudenten sowie drei Kommilitonen, die in Bücher vertieft auf ihre nächste

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