Reptilia
aus unerklärlichen Gründen keine Bäume. Es war eine Zone, in der es nur Gras gab, und die ihm, dem Waldbewohner, keinen Schutz bot.
Egomo blicke kurz nach oben. Das Unwetter zog weiter, und der Regen ließ nach. Aus weiter Ferne konnte er noch vereinzelt Blitze durch das Blätterdach leuchten sehen, aber sie waren bereits weit entfernt, und der Donner drang nur noch als schwaches Echo an seine Ohren.
Zeit sich zu beeilen, wollte er die Spur nicht verlieren. Die Abdrücke begannen sich durch das Aufquellen des Bodens bereits zu verformen. Bald würden sie vollständig verschwunden sein.
Er spurtete durch den Wirrwarr von abgerissenen Blättern und zerbrochenen Ästen, die der Sturm aus den Baumkronen gefegt hatte, während er sich bemühte, seine Deckung nicht zu vernachlässigen. Mit der Zeit wurde ihm jedoch klar, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Das Unwetter schien die Bewohner des Waldes verschreckt zu haben. Sämtliche Tiere, die normalerweise die Baumwelt bevölkerten, waren verstummt. Egomo konnte das nur recht sein, denn er musste nicht mehr befürchten, in einen Hinterhalt zu geraten, und kam viel schneller voran.
Etwa eine halbe Stunde später bemerkte er, wie sich der Wald zu lichten begann. Erst vereinzelt, dann immer deutlicher entstanden Lücken im Blätterdach, durch die das Licht eines stumpfgrauen Himmels drang. Nur noch wenige Schritte und er hatte die Waldgrenze erreicht. Er blieb stehen und verschnaufte. Vor ihm breitete sich eine endlose Grasfläche aus. Der Saum des Waldes, der wie eine grüne Palisade wirkte, verlor sich irgendwo in der trüben und mit Feuchtigkeit gesättigten Ferne.
Egomo beschirmte seine Augen. Der plötzliche und starke Lichteinfall blendete ihn. Nein, entschied er innerlich, er mochte diese Gegend nicht. Sie war fremd und voller Gefahren. Nicht wie eine Bai, eine von diesen kleinen, überschaubaren Lichtungen, auf denen sich vorzugsweise Elefanten oder Gorillas tummelten. Auch nicht wie der Lac Télé, bei dem es sich ja immerhin um eine Wasserfläche handelte. Dies hier war anders. Es gab keinen Grund dafür, warum der Wald hier plötzlich endete.
Egomo seufzte. Die Spur oder das, was von ihr übrig geblieben war, verlief schnurgerade hinein in das Gras, weg von der schützenden Dunkelheit des Waldes. Dorthin konnte und wollte er ihr nicht folgen. Es war zu bedrohlich, denn es war das Jagdgebiet der Hyänen, Wildhunde und Leoparden, die sich zwischen den mannshohen Grasstauden verbargen und alles angriffen, was dumm genug war, sich in das Labyrinth vorzuwagen.
Er machte es sich auf dem Boden bequem und öffnete seinen Proviantbeutel. Darin befand sich neben einer ledernen Trinkflasche, ein paar Feigen, Zwergdatteln, Muskatblüten und etwas getrocknetem Affenfleisch auch alles, was er brauchte, um ein Feuer zu entzünden: ein Stück Eisen, Flintstein und getrocknete Zunderpilze.
Aber was sollte er jetzt essen? Er entschied sich für die Feigen und hob das zähe Fleisch für später auf. Er mochte es ohnehin nicht besonders, denn es schmeckte muffig. Wenn er ehrlich war, mochte er Fleisch nur frisch gebraten von der Feuerstelle. Schon beim Gedanken daran lief ihm das Wasser im Mund zusammen, und während er auf einer süßen Feige herumkaute, entschied er, dass es heute Abend Frischfleisch geben sollte. Mokéle m’Bembé hin oder her, er hatte jetzt lange genug von Trockennahrung gelebt. Außerdem hatte er vor, sich für seinen Mut zu belohnen. Es sollte aber ein wirkliches Festmahl werden. Eine Meerkatze oder ein Pinselohrschwein durfte es schon sein. Mit dem Gedanken an diese Delikatessen beendete er seine Rast, trank noch rasch einen Schluck und richtete sich auf. Er würde dem Saum des Waldes folgen und sehen, wohin er ihn führte. Wenn er Glück hatte, würde er das Ungetüm irgendwo entdecken. Groß genug war es ja. Was er dann tun sollte, konnte er immer noch entscheiden, wenn es so weit war. Erlegen würde er es sicher nicht, aber vielleicht fand er eine Klaue oder Schuppe, die er als Trophäe mit nach Hause bringen konnte. Was wäre das für ein Verlobungsgeschenk!
Leichtfüßig machte er sich auf den Weg und folgte dem Waldrand nach rechts. Das Gelände war dort übersichtlicher und nicht so zugewuchert. Er war noch nicht weit gelaufen, als er einen merkwürdigen Geruch wahrnahm.
Rauch!
Schnuppernd hielt er die Nase in die Luft und versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung der Wind kam. Das Feuer lag genau in der Richtung, in die er
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