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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wollte. Egomo prüfte seine Armbrust, in die immer noch ein Pfeil gespannt war, dann pirschte er sich vorwärts. Lautlos, Schritt für Schritt, alle Sinne aufs Äußerste gespannt.
    Je näher er dem Brandherd kam, desto deutlicher wurde ihm bewusst, dass dies kein normales Feuer war. Verbranntes Holz roch anders, genau wie Blätter und Gräser. Auch verbranntes Fleisch hatte einen anderen Geruch. Es roch wie … wie …
    Egomo erschrak. Es roch wie das verwüstete Lager am See. Doch diesmal war der Brandgeruch frisch und beißend. Er erinnerte sich an die verkohlten Kunststoffteile, die Kabel, die halb vergraben im Uferschlamm lagen, das zersplitterte Glas. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er fühlte, dass er dem Ziel sehr nahe war.
    Nur widerwillig trugen ihn seine Füße vorwärts. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt, bereit, beim geringsten Anzeichen einer Bedrohung die Flucht zu ergreifen. Er konnte bereits dünne Rauchschwaden erkennen, die etwa dreißig Meter von ihm entfernt zwischen den mannshohen Grasbüscheln aufstiegen. Wäre er doch bloß größer, dann könnte er sehen, was da vor ihm lag. So aber war er praktisch blind. Wie ein Kind mit verbundenen Augen tastete er sich voran, mitten hinein in etwas, was ihn das Leben kosten konnte. Trotzdem wollte er jetzt nicht stehen bleiben. Er musste einfach sehen, was dort lag, musste endlich erfahren, was geschehen war. Nur noch ein paar Meter … langsam … langsam.
    Und dann sah er es.
    Es dauerte einen Moment, bis er begriff. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er immer neue schreckliche Einzelheiten erkannte.
    Egomo schlug die Hände vor den Mund und fiel auf die Knie. Die Armbrust rutschte über seine Schulter zu Boden und der Proviantbeutel entglitt seinen zitternden Händen. Nie zuvor hatte Egomo etwas so Erschütterndes gesehen. Er verfluchte sich für seine Neugier. Warum hatte er nicht aufgegeben? Warum war er nicht heimgekehrt zu seiner Familie und seinen Freunden?
    Obwohl sein Magen beim Anblick der vielen Toten rebellierte, begann sein verwirrter Verstand zu überlegen, was hier geschehen sein mochte. Waren dies die Leichen der weißen Frau und ihrer Männer? Nein, eindeutig nicht. Dies hier waren die Körper von Soldaten, er erkannte es an den zerfetzten Uniformen, den verbogenen Waffen und den markanten Lederstiefeln. Ihr Profil entsprach genau dem Abdruck, den er am Ufer des Sees gefunden hatte. Um sich zu vergewissern, hob er einen davon hoch, ließ ihn aber sofort wieder fallen, als er den Fuß bemerkte, der immer noch darin steckte. Was für ein grauenvoller Ort. War dies das Werk von Mokéle m’Bembé? Wenn ja – was für eine gnadenloses Raubtier hauste da in den Tiefen des Wassers? Es schien noch um vieles schlimmer zu sein als in den Erzählungen.
    Plötzlich bemerkte er eine Bewegung am Rande seines Sichtfelds. Eine der zerstückelten Leichen bewegte sich. Egomo glaubte zunächst an einen Irrtum. Doch dann hörte er ein Wimmern. Ein Überlebender.
    Vor Grauen fast gelähmt, näherte sich Egomo dem zerfetzten Körper. Den süßlichen Geruch von frischem Blut und verbranntem Fleisch nahm er kaum noch wahr. Er musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um sich nicht zu übergeben, während er über die herumliegenden Leichenteile stieg. Plötzlich sah er, was sich da bewegte. Ein gelblicher Kopf, zwei helle Augen mit senkrechten Pupillen und ein erschreckend weißes Gebiss.
    Der Leopard, in dessen blutverschmierter Schnauze ein halber Unterarm hing, ließ ein kurzes Grollen hören, ehe er sich geschmeidig umdrehte und im hohen Gras verschwand. Egomo verfluchte sich für seine eigene Dummheit. Wie hatte er das bloß vergessen können? Der frische Aasgeruch würde über kurz oder lang sämtliche Raubtiere der nahen Umgebung anlocken. Merkwürdig, dass sich nicht schon viel mehr Tiere zum gemeinsamen Festessen eingefunden hatten. Er befand sich hier in höchster Gefahr und musste so schnell wie möglich verschwinden.
    In diesem Augenblick erklang ein Grunzen. Ein tiefer, dumpfer Laut, der das Gras niederzudrücken schien und den Boden in. Schwingung versetzte. Ein Laut, der das Blut in seinen Adern gefrieren ließ. Direkt hinter ihm.
    Egomo glaubte einen heißen Lufthauch in seinem Nacken zu spüren. Er schloss die Augen in der Gewissheit, dass sein Leben hier endete. Schon bald würden seine Eingeweide neben denen der unglücklichen Soldaten liegen.
    Ganz langsam erhob er sich und drehte sich um. Das Schnauben war

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