Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Konkurrenz groß. Viele Türken Schneider.“
„Wo kommen Sie her?“
„Aus Ukraine.“
„Sie müssen all die kleinen Ästchen einsammeln, die der Wind von den Bäumen bläst, ehe Sie den Rasen mähen. Sonst bleibt Ihnen der Motor immer wieder stehen.“
„Jetzt ich weiß. Danke.“
„Sagen Sie: Arbeiten Sie für Raskolnikoff oder Duda?“
„Für Duda. Raskolnikoff ich nicht kenne.“
„Mit Herrn Duda müsste ich dringend sprechen. Wie erreiche ich ihn – oder wo finde ich ihn?“
„Ich glaube, nicht möglich. Immer unterwegs. Immer Ausland.“
„In Russland?“
„Auch. Überall. Europa. Asien, Afrika, ganze Welt.“
„Was macht er denn in der ganzen Welt?“
„Geschäfte mit Hotelen. Nicht mehr Arzt wie früher.“
„Stehen Sie in Verbindung mit ihm?“
„Nein – er verbindet mit mir.“
Rehbein sah ihn fragend an.
„Manchmal er rufen an, wenn in Deutschland. Nix ich weiß, wann. Manchmal in zwei Wochen, manchmal in fünf. Nie kommen hierher. Sagen, wo ich kommen für bezahlen Lohn und für sprechen über Arbeit. Er sagen: Jurek, komm ein Uhr Mövenpick – oder komm zwei Uhr Sushimoto. Er mir Geld geben und mir sagen, was arbeiten. Wir essen fein und trinken Wein, dann er gehen und ich gehen.“
„Wohin geht er dann?“
„Ich nicht weiß. Kann sein zu Freund in Niederrad.“
„Wie heißt der Freund?“
Jurek hob und senkte die Schultern und bewegte verneinend den Kopf. Weiß der Kuckuck, ob er es nicht wusste oder nicht sagen durfte.
„Wo wohnen Sie?“
„Hier. Ganz hinten von Garten in alte Remise. Gute Versteck. Ich keine Aufenthaltsgenehmigung – Sie mich nicht pfeifen?“
Rehbein musste lachen. „Nein, ich verpfeife Sie nicht. Können Sie mich anrufen, wenn Duda sich das nächste Mal meldet, und mir sagen, wo Sie ihn treffen?“
„Nein. Er bestimmt nicht wollen.“
„Ach so. Kann man nichts machen. Aber Sie könnten ihm ausrichten, dass er mich …“ Rehbein überlegte es sich flugs anders und steckte seine Karte zurück, die er Jurek beinahe ausgehändigt hätte. „Hat keinen Sinn, ich fliege morgen in die Staaten und komme erst im Frühjahr wieder zurück. Sagen Sie ihm einfach viele Grüße von Hans Adam. Wir sind uns vor langer Zeit in Amsterdam begegnet – oder war es Lissabon? Also denn, auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen. Und viele Danke für Hilfe.“
„Gern geschehen.“
Bevor Rehbein den Wagen startete, notierte er in Stichworten das Gespräch. Dabei fielen ihm wie jedesmal lose Blätter auf den Schoß und er schwor sich zum wer weiß wievielten Male, sich endlich ein neues Notizbuch zuzulegen.
Daheim kochte er sich einen starken Kaffee, briet zwei Eier mit Speck und setzte sich dem Gasherd gegenüber an den Küchentisch. Wie war Duda zu finden? Zunächst einmal musste Strowanewski rund um die Uhr beobachtet werden, irgendwann würde er sie zu Duda führen. Irgendwann. Das konnte dauern. Trotzdem … Das wollte er nachher Reinfeld im Beisein der Kollegen vorschlagen. Bis dahin ein wenig ruhen.
In der Waagerechten kam sein Sorgenkarussell nicht zum Stillstand. Trotz aller Anstrengungen des Nussknackerteams und der Anwälte, trotz der einen und anderen konkreten Chance nicht ein einziges klitzekleines Lichtlein am Aufklärungshimmel – abgesehen von der Chance, vielleicht Duda zu erwischen, über den – auch wieder vielleicht – ein Weg zu Theresa Schwarzes Auftraggeber führte.
Und jetzt war auch noch Koko verschollen, Knöpfle ausgeschaltet, Raabe verunglückt. Ein Durchstoß wurde gebraucht, ein Loch durch die Fragenmauer.
Aufgebracht durch die jüngsten Ereignisse, waren alle pünktlich zur Stelle. Frau Schröder begrüßte sie gemeinsam mit Rehbein, der immer etwas früher eintraf. Es musste ja niemand mitbekommen, dass er Aufzüge hasste und deshalb die vielen Treppen bis zum vierzehnten Stockwerk nahm.
Sie setzten sich um den runden Tisch in dem kleinen Raum hinter Konrad Konrads Büro, um die Situation zu durchleuchten: Rechtsanwalt Otto Hauser, der Prokurist Hermann Reinfeld, die Detektive Hans Rehbein, Theo Körner und Reinhold Kellermann – und selbstredend Frau Schröder. Keiner von ihnen konnte mit einem Anhaltspunkt zu Konrad Konrads Schicksal aufwarten. Dass ausgerechnet jetzt auch noch Raabe nach Knöpfle ausfiel, ihr polizeilicher Draht, lastete schwer auf den Gemütern. Hauser hatte ein kleines Trostpflaster parat, Knöpfles Entlassung aus der U-Haft stand unmittelbar bevor.
„Das ist ein echter
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