Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
sein Notizbuch auf, nahm den Hörer ab und drückte auf den Knopf „Konferenz“, bevor er Litterers Nummer eintippte, alle sollten mithören. Er erreichte den Portraitzeichner nicht im Büro, auch nicht im Haus, er erreichte ihn aber auf seinem Handy.
Klaus Litterer hörte sich an, welcher Auftrag ihm gerade entging. „Das ist ein Jammer“, klagte er, „ich bin in New York und sitz noch zehn Tage hier fest. Ich gebe Ihnen die Nummer meines Sohnes. Der hat sich grad selbstständig gemacht und freut sich über jeden Auftrag. Der Junge ist gut. Er übertrifft heute schon seinen an den Schläfen ergrauten Alten.“
Hauser notierte die Nummer und wählte sie an. Der Sohn hieß Peter und freute sich tatsächlich. „Ich bin in zehn Minuten startbereit und erwarte Ihre Nachricht, wann ich am Flughafen sein und wen ich am Meeting Point treffen soll. Mich erkennt man am Strohhut und eierschalenfarbenem Anzug, ich pack schon mal meine Zahnbürste ein.“
„Alles klar, bleiben Sie in der Nähe Ihres Telefons, ich rufe Sie gleich wieder an.“
Hauser sah Reinfeld herausfordernd an. Der drehte sich in seinem Drehsessel zu Rehbein um und stellte fest: „Sie haben noch nicht zugestimmt.“
Hans Rehbein, in der Zwickmühle, reagierte nervig. Er haspelte ohne Punkt und Komma, den Oberkörper nach vorn geneigt, herunter: „Keine Frage, selbstverständlich fliege ich schnellstens nach Ibiza und nehm mein Notebook mit. Sobald ich ein Portrait Dudas habe, maile ich es hierher und schneller, als ich zurückgeflogen komme, haben Sie sein Konterfei.“ Er plumpste in die Stuhllehne zurück und wischte sich mit einem Riesentaschentuch über Kopf und Hals. Reinfeld lobte die Idee, das Bild sofort hierher zu mailen. „Und falls Huber außerdem einen hilfreichen Tipp für uns hat, mailen Sie den gleich mit. Also, rufen wir die Lufthansa an. Hoffentlich sind für die erste Maschine morgen früh noch zwei Plätze zu haben.“
Frau Schröder wählte und die Hausklingel läutete Sturm, während sie die beiden Plätze buchte. Reinfeld eilte zum Monitor in Kokos Büro. Auf dem Bild erschien Beate Konrads Gesicht und die Hausklingel schrillte immer noch. Er drückte auf den Summer, rief zum Hinterzimmer:
„Es ist Frau Konrad, ich hole sie am Aufzug ab.“
Frau Schröder wählte jetzt Litterer Junior an, winkte Rehbein zu sich herüber und reichte ihm den Hörer. „Vereinbaren Sie das Treffen mit ihm, Einchecken ist morgen früh um fünf Uhr dreiundvierzig.“
Reinfeld erschrak, als Beate aus dem Aufzug auf ihn zu stolperte. Eine Fahne flog ihr voraus. Sie hatte, soviel ihm bekannt war, nach erfolgreicher Therapie seit zehn oder zwölf Jahren keinen Alkohol mehr angerührt.
„Die niederträchtigen Schufte werden es mir büßen!“ Ihre Stimme hallte von den Wänden wider.
„Kommen Sie bitte. Sie müssen sich beruhigen, kommen Sie, damit wir miteinander reden können.“
„Reden, reden, ich will Koko wiederhaben!“
So hatte er Frau Konrad noch nie erlebt. Sie wimmerte jetzt leise und ballte die Fäuste. Reinfeld ergriff sie behutsam am Arm und führte sie über den Flur zur Eingangstür. Sie wurde still und lief neben ihm her durch die Kanzlei zum Hinterzimmer. Die Männer und auch Frau Schröder erhoben sich bei ihrem Eintreten.
„Guten Abend, wie ich sehe, sind alle hier. Und niemand von Ihnen ist in Moskau. Wen haben Sie damit betraut, Koko zu finden?“
Peinliches Schweigen. Beate übersah ihre verlegenen und mitleidvollen Blicke. Sie wankte leicht, verfehlte den Stuhl, den Hauser ihr zuschob, und richtete sich mit seiner Hilfe wieder auf.
„Warum antwortet mir niemand? Reinfeld, was wird hier gespielt?“
„Frau Konrad, Ihr Mann ist nicht in Moskau entführt worden, es muss bereits am Frankfurter Flughafen passiert sein.“
Sie hielt sich mit beiden Händen an der Tischkante fest und setzte sich behutsam in Zeitlupe endlich hin.
„Sie lü…“ Beate hielt inne und wandte ihr erhitztes Gesicht der Sekretärin zu. „Frau Schröder, Ihre SMS lautete wortwörtlich: ‚Ihr Mann in Moskau vermisst, seit mehr als sechs Stunden im Hotel überfällig.“
Beate Konrad hatte nach der gestrigen Vorlesung ihren Anorak – mit dem Handy in der Innentasche – in der Garderobe vor dem Hörsaal vergessen und es erst heute Vormittag – in der ersten Pause der heutigen Vorlesung – eingeschaltet. Frau Schröders SMS hatte sie getroffen wie ein Schlag auf den Kopf. In Panik versetzt, hatte sie Hals über Kopf das
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