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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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aufhörte und mit uns zur Burg hinaufwanderte.“
    Endlich kam ein Hinweisschild zur Auffahrt A5 in Sicht.
    „Gott sei Dank!“, betete Raabe. Das Telefon klingelte. Müller drückte auf den gelben Knopf. „Müller, Telefonapparat Hauptkommissar Raabe.“
    „Sekretariat Anwaltsbüro Konrad. Hört Herr Raabe mit?“
    „Ja, Frau Schröder“, sagte Raabe, „wir hören, haben Sie Neuigkeiten über Koko?“
    „Keine guten. Er ist nicht in Moskau angekommen. Er ist überhaupt nicht in der Maschine gewesen. Er ist verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Wir sind ratlos. Hallo, sind Sie noch dran?“
    Raabe war nicht mehr „dran“, er war vor Schreck voll auf die Bremse getreten und nur die Gurte hatten verhindert, dass beide gegen die Windschutzscheibe knallten. Aber in der nächsten Sekunde ging die Welt für Raabe und Müller mit einem Höllenlärm unter.
     
     
     
     
     
    ***
     
     
     
     
    Edmund war aus der Lebensbahn in die Irre künstlichen Komas geglitten. Außenstehenden erschien es, als sei der Geist der „Gebändigten“ in dieser Apathie ausgeknipst. Vielleicht war das in der Regel so, auf Edmund traf es nicht zu. Sein Erleben pulsierte in schillernden Farben, verwoben mit Passagen der Göttlichen Komödie , in die er, der Erde entrückt, eingebunden war – in Erwartung, dem Paradies entgegenzuschweben oder der Hölle, eingedenk der ungesühnten Tat, die er im wachen Leben verdrängte, negierte. Und er empfand auch im kosmischen Ambiente keine Schuld und keine Reue. Im Gegenteil.
    „Die Nacht war sternenklar, Gott gab mir seinen Segen.Schon wich die Dämmerung der Morgenhelle und floh gen Westen, sodass aus der Ferne des Meeresspiegels Zittern ich erkannte. So locker ist der Schleier jetzt geworden, dass wenig Mühe macht, ihn zu durchdringen. Ich bleibe regungslos und schweben, so lang es dem gerechten Herrn gefällt. Wenn aufgehoben das Würfelspiel, bleibt, wer verlor, ärgerlich zurück. Absagen muss ich jeglichem Bedenken – und jeden Kleinmut hier in mir ertöten.“
    Schwebe ich dem Himmel entgegen, bleibt mir erspart, Rolf Henning zu begegnen, der in der Hölle schmort. Mehr als ein Dutzend Frauen hat er zugrunde gerichtet, vier davon haben es mit ihrem Leben bezahlt. Lydia konnte ich vor den Krallen des Fauns bewahren.
     
     
    Sechs Jahre zuvor hatte das Gericht den Würger von Kelsterbach von den vier Frauenmorden mangels Beweisen freigesprochen. Edmund war wie viele der Überzeugung, dass Henning schuldig war, anders als Lydia, Edmunds Verlobte zu der Zeit. So saß Henning lediglich wegen eines bewaffneten Raubüberfalls in der Justizvollzugsanstalt ein und wurde wegen guter Führung vorzeitig entlassen, auf Bewährung selbstredend. Und ausgerechnet Lydia, damals noch als Diplom-Pädagogin bei der Stadt angestellt, zur Bewährungshilfe anvertraut. Das geschah kurz vor den Sommerferien, für die Edmund an der Ostsee ein Segelboot gechartert hatte. Also nahm sie ihn, mit amtlicher Genehmigung, kurzerhand mit auf den Törn von Heiligenhafen bis zu den Lofoten. Ein Fehler, den Edmund nach wenigen Tagen bereits bereute. Er ließ den Burschen, der Lydia penetrant den Hof machte, keine Sekunde aus den Augen. Auch nicht in der Nacht, als dieser Frauenmörder an Bord des Charterboots zur Wache eingeteilt und im Starkwind über Bord gegangen war. Entgegen der Borddisziplin hatte er das Groß gerefft, ohne sich einzupicken. Ein Kaventsmann schleuderte ihn achteraus. Edmund konnte den Vorgang von seiner Koje aus verfolgen und ließ in vollem Bewusstsein dessen, was es bedeuten musste, eine gute Weile verstreichen, ehe er Lydia zum Mannüberbordmanöver wachrüttelte.
     
    Henning war und blieb verschwunden. Das war gut so. Es hatte nicht viel gefehlt und sie wäre auf ihn hereingefallen – und: von ihm vernichtet worden. Dem Meeresgetier ist er wohl bekommen, denke ich. Ich bin stolz auf mein Gewissen, das sich nie geregt hat, und wundere mich, dass ich heute – hoch oben über dem Tal der Geächteten schwebend – so empfinde.
    In der Bucht von Reine machten wir das Boot am Steg fest und informierten die Behörden. Danach stiegen wir immerdar nach links gewandt zum letzten Strand des langen Felsens. Und klarer sah ich da in jene Tiefe, in der die Täuscher frei sind in der Welt des Jammers. Langsamen Schrittes gingen wir und schwiegen. Es wurde Nacht.
     
     
     
     
     
     
     
     
    ***
     
     
     
    Das Internet half Rehbein nicht weiter. Er hoffte, dass ihm am Samstag, also morgen, der

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