Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Pluspunkt“, sagte Reinfeld, „und auch hilfreich für Raabes Genesung, sobald er zu sich gekommen ist. Noch ist er nicht ansprechbar. Ich war bei ihm auf der Intensivstation. Er hat bei dem Unfall einen Schädelbruch erlitten. Er muss mit einem längeren Klinikaufenthalt rechnen. Kollege Müller ist glimpflicher davongekommen. Leichte Gehirnerschütterung, etliche Schürfungen und Prellungen. Ich konnte kurz mit ihm sprechen. Er sagte, dass Raabe mitten im Telefonat mit Frau Schröder voll auf die Bremse gestiegen sei, der folgende Lastwagen auf ihr Auto auffuhr und es gegen die Mauer drückte. Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Raabe befindet sich nicht in Lebensgefahr und Müller kann voraussichtlich in wenigen Tagen entlassen werden.“
Reinfeld fasste die Ereignisse der letzten sechsunddreißig Stunden zusammen, zur systematischen Übersicht und für Körner, der soeben aus Saudi Arabien zurückgekehrt war. Der vielversprechende Hinweis, dem er gefolgt war, hatte sich als Luftblase entpuppt und nichts als Spesen verbraten. Zu seinem Unmut und zu einem Anflug von schlechtem Gewissen, wenngleich Konrad Konrad mit Nachdruck darauf bestanden hatte, dem Hinweis nachzugehen.
Nach der Zusammenfassung atmete Reinfeld tief durch.
„Machen wir uns nichts vor, wir treten auf der Stelle, ich habe manchmal sogar den Eindruck, wir treten rückwärts.“
„Den hab ich auch“, murrte Kellermann, „tausend Optionen und keinen Schritt voran. Mein Job ist zum Mäusemelken! Der Blumenfritze ist außer Gefecht gesetzt, ich könnte Lockenköpfchen ohne Hektik und größere Umstände entlocken, was darin gespeichert ist, aber nein, ihr Verlobter muss mit ihr auf gestohlener Slup durch die Ozeane segeln und niemand weiß, wo. Auch die Leute von der Versicherung nicht, die das brennend interessiert. Sie haben ergebnislos alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie zu orten. Es ist wirklich zum Mäusemelken!“
Sie schwiegen und nickten hoffnungsverloren. So trübe war die Stimmung noch nie. Ein jeder gedachte seiner eigenen Aussichten, Möglichkeiten, Chancen, die in Nichts zerrannen, in Sackgassen führten, auf Täuschungen basierten oder im Sande versickerten. An all die vergeblichen Anstrengungen. Reinfeld blickte besorgt in die Runde der besorgten Gesichter und richtete schließlich die Frage an Kellermann:
„Glauben Sie denn, dass diese Blumenverkäuferin etwas weiß, das uns weiterhelfen könnte?“
„Raabe glaubt es und Koko meint, dass er recht hat. Wer bin denn ich, die Ansicht der hohen Herren infrage zu stellen?“
Körner, nach all seinen gescheiterten Klimmzügen ebenso frustriert wie alle, dachte nicht daran, den Kopf hängen zu lassen. „Wir sind noch längst nicht am Ende. Sehring ist in Gewahrsam und die Infos in seinem Kopf sind gewiss aufschlussreicher als die im Lockenköpfchen.“
Reinfeld lachte sarkastisch auf.
„Aber fest verschlossen. Ohne Raabe nützt er uns in Haft rein gar nichts. Allein Raabe könnte ihn – würde ihn zum Reden bringen. Nun aber läuft das so ab: Die Staatsanwaltschaft klagt Sehring des Mordes an Höpfner an, das Gericht spricht sein Urteil und damit hat sich’s. Bei dem Procedere kommt das Wort Entführung nicht einmal vor.“
„Das glaube ich nicht, Hermann. Mord und Entführung sind in dem Fall viel zu eng miteinander verstrickt und der entführte – echte – Mensinger ist Polizist!“
Sie verfielen in kollektives Nachdenken.
Rehbein rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er hatte ein Problem: Unter mehr als vier Augen fiel es ihm schwer, das Wort zu ergreifen. Endlich gab er sich einen Ruck und posaunte: „Wir müssen Duda finden, den Kerl, nach dem die Laborantin gesucht hat, nachdem sie durch Raabes Einschreiten dem ausgeflippten Knöpfle entkommen war.“
Reinfeld staunte ihn ironisch an. „Eine ausgezeichnete Idee. Und wo sollen wir suchen?“
„Auf Spuren an vier Ecken“, konterte Rehbein zu Reinfelds und aller Verblüffung. Er hob eine Hand und streckte vier Finger in die Höhe, die er einen nach dem anderen umbog. „Erstens bei einem Ukrainer mit Namen Jurek Strowanowski, arbeitet für Duda als Grundstückspfleger, zweitens bei den einstigen Kollegen Dudas in einer ehemaligen Praxisgemeinschaft in Wetzlar, drittens bei einem Rentner auf Ibiza
und viertens bei einer Großmutter in Bosnia, das ist eine kleine Stadt in Polen.“
Die erstaunte Runde sah ihn unisono fragend an und er fuhr fort:
„Das Taxi hatte die Schwarz nach
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