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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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wie zigmal öfter als bei Zufallsbegegnungen oben . Mitten hinein in die Diskussion trat Franz Gerschpacher, erhob segnend die Arme. „Mache dich auf, werde Licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gehet auf über dir.“
    Der Prediger zog sich zurück, die Hitzköpfe debattierten weiter. Edmund und Gerd, zwei Ersatzteillager in der siebten Hölle, schwiegen das weiße Tischtuch an. Gerd stocherte in seinem Essen herum. Er führte nicht einen Happen zum Mund. In Edmund verkrampfte sich nicht allein das Herz, sondern auch der Hals. Auch er war nicht imstande zu essen, nicht einmal sprechen war ihm möglich. Vielleicht war das gut so, jeder Trostversuch könnte alles noch verschlimmern. Wäre Gerd am Ende lieber allein? Mein Gott, bin ich linkisch! Eine junge Frau kam ins Lokal und steuerte auf ihren Tisch zu. Das kam einer Erlösung gleich. Gerd erging es ähnlich und er fand seine Sprache wieder.
    „Darf ich vorstellen, Herr Konrad, das ist Edith Klein. Edith, das ist – das war – mein Klassenlehrer. Komm, setz dich zu uns.“
    „Wir wollten doch …“
    Edmund ergriff die Gelegenheit, sich zu verabschieden. „Wir sehen uns in drei Wochen“, sagte er. Gerd nickte und Edith stotterte: „Ich … ich wollte Sie nicht vertreiben.“
    „Das tun Sie nicht. Bin mit meinem Bruder verabredet. Machts gut, ihr zwei.“
    Edmund drehte sich abrupt um und sah nicht zurück. Es war noch reichlich Zeit bis zu seinem Treffen mit Koko. Er wandelte zum Parcivalkreis und setzte sich auf die Bank hinter dem Springbrunnen, auf der er damals Gerd angetroffen hatte, ganz am Anfang, als er sich spätabends verlaufen hatte. Edmund schloss die Augen und sah Hermann Hesses Stufen. Zeile um Zeile, Stufe um Stufe glitten sie herab bis ins Absurde. Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde.
     
    „In der Blechtrommel suckelte Matzerath Brausepulver aus Marias Nabel.“ Edmund schreckte hoch, schlug die Augen auf und starrte die Frau an, die wie ein Schatten auf ihn zuschritt und sich neben ihm niederließ. Ohne sich beirren zu lassen, fuhr sie fort:
    „Der Dichter Durs Grünbein erlebte es früh schon durch Morgenstern und Novalis und fand den Geschmack wieder in den ‚Blumen des Bösen‘. Sie werden ihn heute kosten – heute Nacht.“
    Edmund geriet in Panik. War sie das, mit der er …?
    „Sie???“
    Sie grinste hämisch.
    Brausepulver. Himmel hilf! Noch mehr, als er sich vor der Frau fürchtete, hatte Edmund Angst, die Nerven zu verlieren und dem Labormonster ins Gesicht zu spucken. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Augen sprühten Funken.
    „Tun Sie es nicht“, sagte sie, noch immer grinsend, sie war gleich nach ihm aus der Apathie entlassen worden, „wir stehen permanent im Fadenkreuz der Kameras.“ Sie reichte ihm die Hand. „Theresa Schwarz.“
    „Scheren Sie sich zum Teufel.“
    „Ich bin nicht von ungefähr hier. Wir sollen einander näherkommen, Edmund Konrad.“
    Edmund biss die Zähne aufeinander und atmete in tiefen Zügen, versuchte, sich zu beruhigen und stand langsam auf. Er ließ die Hyäne stehen und wandelte davon, torkelte zu seiner Bude, wo das blaue Licht heftig blinkte. Das bedeutete gemeinhin ein Rüffel. Er schaltete Kanal acht ein:
     
    Theresas Befruchtung erfolgt in achtzehn Tagen. Bis dahin werden Sie sich so weit gesammelt und eingedenk der Alternative mit der Rolle als Begatter abgefunden haben.
     
    Koko kam herein und strahlte über das ganze Gesicht.
    „Gottlob bist du da, ich dachte schon, wer weiß was. Hast du vergessen, dass wir uns im ‚Interim‘ treffen wollten?“
    „Bin etwas durcheinander … guck dir das da an!“
    Er zeigte zum Monitor, er war noch nicht abgeschaltet.
    „O je!“
    „Plötzlich stand dieses Ungeheuer neben mir.“
    Edmund schilderte dem Bruder sein Albtraumerlebnis.
    „Vielleicht hast du Glück und wir sind in achtzehn Tagen längst wieder auf der Welt“, sagte Koko, „dein Schüler Gerd liegt mit seiner Mülltheorie gar nicht so falsch. Die Flaschenpost ist natürlich Unsinn, aber was hältst du von einer Bombe?“
    „Bombe??“
    „Ja! Bombe! Dass die den Müll oben in der Welt verbrennen, ist gar keine Frage. Und jetzt stell dir vor, dabei entsteht eine Wahnsinnsexplosion, ganz gleich, ob in einer privaten oder öffentlichen Anlage! Feuerwehr und Polizei werden aktiv, fahnden nach der Herkunft und stoßen auf Hinweise, die zu den Katakomben führen. Wenn nicht bei der ersten, dann bei der nächsten oder übernächsten

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