Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Explosion.“
„Nicht schlecht – und wo kriegen wir Bomben her?“
„Die müssen wir basteln. Womit und woher das Zeug nehmen, ist die Frage. Wir werden die Antwort finden. Müssen sie finden.“
***
Kommissar Knöpfle, seit vier Wochen und zwei Tagen wieder im Dienst, stand zu später Stunde vor dem Waschbecken und putzte sich die Zähne. Dabei erhaschte er unversehens sein Spiegelbild und hielt inne – grau war er geworden – und schütter sein lockiger Haarschopf, noch vor Wochen sein ganzer Stolz und der Ausgleich für sein schiefes Gesicht, jetzt ausgedünnt und von grauen Strähnen durchzogen.
Raabe hatte die Klinik verlassen und mit seinem Auftauchen im Büro war stündlich zu rechnen, denn einen Aufenthalt in der Reha wies er strikt von sich. Sosehr ihn die Rückkehr des Kollegen einerseits freute, so bedrückt war er andererseits – musste er ihn doch mit leeren Händen empfangen. Selbst zu den Tötungsdelikten war er nach wochenlangem, eifrigem Bemühen keinen Schritt vorangekommen. Die Mörder an Borchert und Lukas liefen noch immer frei herum, derentwegen ein Phantombild von Duda nicht hatte entstehen können, Notar und Makler waren in der Nacht nach Rehbeins Rückkehr gestorben. Knöpfle musste sich eingestehen, dass ein kleiner Kriminalkommissar wie er, selbst mit einem hervorragenden Kollegen wie Kommissar Müller an seiner Seite, einer Verbrecherorganisation wie der Entführermafia nicht gewachsen war. Sein Zorn war grenzenlos. Er ertappte sich bei dem Gedanken, durchaus selbst eines Mordes fähig zu sein. Zum Beispiel an dem Auftraggeber der beiden Killer.
Er wusch sich das Gesicht, studierte es noch einmal im Spiegel und zischte ihm ohne jegliches Bedauern zu: „Potenzieller Mörder!“
Währenddessen war in der Mitte des vierzehnten Stocks in einem Hochhaus der Frankfurter Skyline noch ein Fenster erleuchtet. Der Mann am Schreibtisch hinter diesem Fenster arbeitete nicht. Er saß nur da und starrte auf die grüne Schreibunterlage. Die letzten Wochen passierten vor seinem geistigen Auge Revue und ein Scherbenhaufen türmte sich davor auf. Zerschlagen waren die Jagd nach Dudas Portrait sowie alle Hoffnungen auf Enthüllungen, ganz gleich ob die über Hübner, Sehring, den Gärtner, die Laborantin, Internet und jetzt auch noch Lolita. Er versuchte, die Scherben der Chancenkette zu sortieren.
Chance Duda : Peter Litterer, der Phantombildzeichner, war erstaunlich schnell wieder auf dem Damm, nämlich bereits am Tag nach seiner Rückkehr von Ibiza. Doch nicht schnell genug, um dem Tod des Maklers Andreas Lukas wie auch des Notars Dr. Eckhard Borsche zuvorzukommen. Beide starben zur gleichen Stunde in der Nacht zuvor. Lukas an einem goldenen Schuss in seinen linken Arm, Borsche an einem Kabel, das um seinen Hals festgezurrt war. Der Tod hatte den einen wie den anderen im Schlaf überrascht. Lukas‘ Frau war mit dem Schrecken davongekommen. Sie hatte mit ihrem abendlichen Schluck Wein eine Schlaftablette eingenommen und so fest geschlafen, dass sie für den Mörder keine Gefahr war. Die Frau des Notars schlief zur Tatzeit nach einer OP in einem Bett des Privatkrankenhauses am Mühlberg.
Weder Polizei noch Detektei war es gelungen, die beiden Auftragsmörder dingfest zu machen oder eine Spur zu ihrem Auftraggeber zu finden. Dass es sich um zwei Killer handelte, war keine Frage, beide Morde wurden zur gleichen Stunde verübt, der eine in Frankfurt, der andere in Hannover. Borsche und Lukas mussten sterben, um die Erstellung eines Phantombildes von Duda zu verhindern, so viel war klar – unklar indes, woher die Mafia wiederum den entsprechenden Wind bekommen hatte.
Von Rehbeins bevorstehender Reise nach Krakau – gewiss, er selbst hatte sie genehmigt – erwartete er wenig. Was sollten Großeltern in Polen schon vom Treiben einer missratenen Enkelin in Deutschland wissen und von ihrem Umgang mit schrägen Typen?
Chance Hübner: Die Möglichkeit, aus Hübner Informationen zu erzwingen, zerstob in der Luft. Der Leiter des Vermisstendezernats war nach Johannisburg geflogen, noch ehe sein Haftbefehl ausgestellt werden konnte.
Chance Sehring: Dem Einarmigen war keine Silbe zu entlocken. Er spielte die stumme Knaststatue. Vielleicht konnte Raabe, der morgen wieder im Büro sein würde, daran etwas ändern – aber nur vielleicht. Und bislang war noch jedwedes Vielleicht in Nichts zerronnen.
Chance Gärtner: Hell blendender Silberstreif am Horizont, denn irgendwann würde er
Weitere Kostenlose Bücher