Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Nach zweien habe ich bislang vergeblich Ausschau gehalten. Sind dir hier unten irgendwann die Geschwister Leitmeier über den Weg gelaufen, Erika und Max?“
„Mir sind Hunderte bereits über den Weg gelaufen, doch ich kenne bis auf wenige Ausnahmen nicht ihre Namen. Gehört habe ich von den beiden noch nie. Vermutest du die in Repuestos ?“
„Ja, aber wahrscheinlich liege ich falsch. Keiner kennt sie hier … ihr Vater, Dr. Leitmeier, vermisst seine Tochter Erika seit März, sein Sohn Max ist kurz nach dir verschwunden.“
„Die Tochter ist, wenn sie im März geschnappt wurde, längst in Repuestos -Süd, wenn nicht Ost oder sogar Nord. Die Ankunft des Sohnes hätte ich allerdings registrieren müssen. Neuzugänge sind stets eine Abwechslung und erregen Interesse.“
„Vielleicht sind die Leitmeier-Kids schlicht und einfach weggelaufen. Die Eltern sind am Rande der Verzweiflung, besonders die Mutter, und der Vater setzt sich mächtig dafür ein, auch finanziell, dass die Suche mit Druck fortgesetzt wird.“
„Tja“, sagte Edmund und danach nichts und auch Koko versank ins Nachdenken – eine Weile.
„Edmund, man hat mir die Umstände geschildert, unter denen du in die Apathie geraten bist. Wie kommt es überhaupt, dass du jetzt hier bist? Der Belehrung im Forum zufolge kommen Spender von der Apathie aus direkt nach Süd. Ich hatte nicht die geringste Hoffnung, dass ich dich antreffen würde, bevor ich selbst in Süd lande.“
„Der Grund, warum ich die letzten drei Wochen noch in West verbringen darf, ist die größte Schurkerei, die sich ein menschliches Hirn ausdenken kann.“
„Und? Willst du ihn mir nicht nennen?“
„O doch, ja. Vielleicht weißt du einen Ausweg.“
Edmund berichtete. Danach schwiegen sie miteinander, bis Koko sich erhob und durch die Tüllgardine auf die Adlergasse schaute.
„Der einzige Ausweg wäre Flucht“, sagte er.
„Das ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv befassen sollten.“
„Noch heute, nicht irgendwann.“
„Mensch, Koko! Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass du hier in meiner Kemenate stehst. In welche haben sie dich gesteckt?“
„Nummer siebzehn im Lilienpfad. – Bist du froh, dass ich hier bin?“
„Nein. Oben könntest du weitermachen und den Spuk beenden, irgendwann – vielleicht sogar bald. Hier unten kannst du nichts tun, gar nichts.“
„Das ist nicht gesagt. Wir werden sehen. Weißt du, was ich jetzt habe? Kohldampf habe ich. Wie steht es mit dir?“
Sie entschieden sich für den „Palmenhof“ und für Lammschulter vom Grill mit grünen Bohnen und Bratkartoffeln. Eine Zusammenstellung, die sie an die Gartenparty in der Forsthausstraße erinnerte, vor einem Jahr zu Beates achtundvierzigstem Geburtstag. Es erinnerte sie an ihren letzten „Dunner druff“.
Zu dieser späten Stunde waren nur wenige Gäste anwesend und zu Edmunds Zufriedenheit keine, die er näher kannte. Die wollte er lieber morgen begrüßen – er war froh, mit Koko allein zu sein. Sie nippten mit knurrendem Magen an ihrem alkoholfreien Bier und schielten zu dem offenen Holzkohlengrill hinüber, der die Art Düfte verbreitete, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Koko weihte Edmund in den letzten Klatsch ein, wer mit wem, wie viele neu hinzugekommen waren und wer nach Süd oder in die Apathie abgewandert war. Zwei Selbstmorde waren zu beklagen beziehungsweise zu bewundern, die Namen sagten aber Edmund nichts.
„Du hast bestimmt erfahren, wer mit mir zusammen in die Apathie geworfen wurde. Die sind wohl beide noch dort. Die eine ist …“
„… die Laborschlange. Du kannst dir keine Vorstellung davon machen, wie fieberhaft wir nach der gesucht haben, als uns klar geworden war, dass sie dem Clan Daten aus der DKD zugespielt hatte. Sie hatte den guten Knöpfle, Raabes Kollegen, um den kleinen Finger gewickelt und gründlich ausgehorcht, und wäre Raabe nicht dazugekommen, wäre Knöpfle an ihr zum Mörder geworden.“
„Ich sehe den Zusammenhang nicht zwischen der Weiterleitung der Laborbefunde an diese Mafia und dem Aushorchen eines Kommissars der Mordkommission.“
„Der Clan wusste über die enge Zusammenarbeit zwischen Raabe und mir genau Bescheid und war an allen Informationen über die Labormaus und danach über den falschen Mensinger interessiert, um fleißig Sand ins Getriebe unserer Ermittlungen zu streuen.
Knöpfle sitzt nun in U-Haft, beschuldigt des versuchten Mordes. Will sagen – saß, als ich entführt wurde, saß
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