Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Glas Wasser.
„Hallo, Hermann, bist du noch dran?“
„Ja, ich war jetzt erst mal platt. Hast du schon eine Idee, wie wir feststellen können, ob es da einen Zusammenhang mit unserem Problem gibt?“
„Ja. Herausfinden, ob im Epikulum-Werk größere Mengen Epikur 254 produziert werden, als in den Büchern steht, mit anderen Worten, ob größere Mengen in dubiosen Kanälen verschwinden. Und wenn dem so sein sollte, noch auftun, wer die betreffenden Abnehmer sind. Gelingt uns das, dann haben wir die Gangster direkt am Wickel.“
„Kümmerst du dich drum und meldest dich wieder?“
„Klar. Hab schon damit angefangen. Und du – setz Raabe ins Bild, falls ich seine Hilfe brauche.“
„Raabe? Der ist doch noch nicht im Dienst!“
„Du bist nicht auf dem Laufenden, mein Lieber. Er ist aus dem Krankenhaus heimgekommen, noch ehe sie dich in ein solches einlieferten. Er ist sofort in sein Büro geeilt. Wo er zur Stunde ist, kann ich nicht sagen, aber auf seinem Handy erreichst du ihn gewiss.“
Reinfeld atmete durch, atmete Mut. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Raabe hatte gut geklappt, doch in den letzten Tagen vor Raabes Unfall war der Umgangston leicht angefröstelt gewesen, ohne dass man sagen konnte, an wem es gelegen hatte. Vielleicht an beider Ungeduld, weil brauchbare Resultate ausgeblieben waren. Er rief ihn an.
Und Raabe nahm seine Glückwünsche zur Entlassung aufgeräumt entgegen! Und fragte nach Neuigkeiten.
„Es gibt nur eine, doch die ist hochinteressant, aber telefonungeeignet. Könnten wir uns treffen? Bei Ihnen, bei mir oder sonst wo.“
Telefonungeeignet! Warum nicht gleich „nicht telegen“!
Die Eindringlichkeit in Reinfelds Stimme aber ließ Raabe aufhorchen. Der Mann war kein Schaumschläger.
Raabe überlas den Artikel erst flüchtig, dann ein zweites Mal konzentriert und gab sich vergrämt.
„Epikur 254 also“, sagte er mit Skepsis in der Stimme und schob die Zeitung zurück. „Sie vermuten, dass die Verbrecher mithilfe dieses Mittels eine Rebellion der Opfer verhindern.“
Reinfeld reagierte aggressiv. „Ich vermute überhaupt nichts, aber wäre das nicht denkbar?“
Raabe blickte mürrisch, Reinfeld fuhr fort:
„Es wäre eine nähere Untersuchung wert, finden Sie nicht? Das Zeug ist bestens geeignet, die Opfer gefügig zu machen, wozu auch immer. Wir werden jedenfalls versuchen, alles über Vertrieb und Betriebswege herauszubekommen.“
Er konnte seine Enttäuschung darüber, dass der Hauptkommissar seine Begeisterung so gar nicht zu teilen schien, kaum verbergen.
„Vielleicht ist was dran an Ihren Überlegungen – bedenken Sie aber, dass die Serienentführungen vor mehr als einem Jahr ihren Anfang nahmen, dieses Präparat ist aber ganz neu.“
„Es wurde zwar jetzt erst lizenziert, das sagt aber nichts darüber aus, seit wann es ausgereift ist. Verbrecher scheren sich wohl kaum um Lizenzen.“
Raabe hielt das zwar alles nicht für ausgeschlossen, dennoch aber etwas weit hergeholt, ausgerechnet das Produkt einer seriösen Pharmafirma mit den Entführungen in Verbindung zu bringen.
„Ich frage mich, woher Sie die Zuversicht nehmen, dass ein Zusammenhang zwischen den Vermissten und diesem Produkt besteht.“
Reinfeld hatte Mühe, seinen Unmut zu verbergen, und noch größere Mühe, ruhig zu sprechen.
„Es ist weniger Zuversicht als mehr ein Gefühl. Ich weiß, dass Gefühle Glückssache sind, Strohhalme, wenn Sie so wollen. Aber ich muss nach jedem einzelnen greifen. Nicht nur sitzt ein Heer Unschuldiger in einer bösen Bredouille und ihre Angehörigen machen mir die Hölle heiß, auch die beiden Konrads sind vom Erdboden verschluckt, ihre Frauen am Verzweifeln. Die Mutter hat sich in bigotten Wahn gestürzt und ich, der geniale Detektiv, hohoho! – weiß nicht mehr aus noch ein vor Wut und Kummer, und Sie kommen mir so.“
Er war viel zu verärgert, als dass er seinen Ausbruch bereuen konnte. Und Raabe, der aus den Vorhaltungen die Unterstellung von Desinteresse an der Befreiung der Unglücklichen herauslas, war sauer. Das Telefonklingeln platzte mitten in die dicke Luft. Wütend schnarrte Reinfeld in den Hörer: „Frau Schröder, ich sagte doch, keine Störung!“
Da ging die Türe auf und Frau Schröder sagte mutig:
„Aber es ist Kellermann und er sagt, es sei immens wichtig.“
„Reinhold? Her damit!“
Die Sekretärin zog sich zurück und Reinfeld schaltete für Raabe zum Mithören den Freisprecher ein, denn das konnte jetzt interessant
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